FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 19. Juni 2017. Nach neuen Rekorden erscheinen manchem Analysten die erreichten Bewertungen insbesondere von US-Unternehmen als zu hoch.
Rund 0,5 Prozent büßte der deutsche Aktienindex in der vergangenen Woche trotz zwischenzeitlicher Bestmarke von 12.921 Punkte ein. Auch der Euro Stoxx 50 ging mit einem Minus von 0,7 Prozent aus dem Handel. Dem gegenüber schaffte der Der Dow Jones Industrial nach einem neuen Rekord von 21.391 mit 31.384 Punkten ein kleines Plus von 0,6 Prozent.
Zumindest in den USA scheint die Skepsis angesichts immer neuer Spitzenwerte zu wachsen. Laut jüngster Fonds-Manager-Umfrage der BoA Merril Lynch sehen 44 Prozent der Befragten die Bewertungen von Unternehmen jenseits des Atlantiks mittlerweile als zu hoch. Auch hierzulande wächst die Anzahl derer, die nach dem starken Lauf der vergangenen Monate mit Ermüdungserscheinungen beim DAX rechnen.
Für die kommenden Tage rechnet Chris-Oliver Schickentanz von der Commerzbank mangels neuer Konjunkturdaten zunächst mit etwas ruhigerem Fahrwasser an den Aktienbörsen. "Interessant wird sein, ob die in den vergangenen Monaten sehr stark gelaufenen Technologietitel aus ihrem aktuellen Korrekturmodus wieder nach oben ausbrechen können."
Mangelnder Treibstoff
"Da Aktien ebenso wie Renten ihr fundamental gerechtfertigtes Potenzial ausgereizt haben, dürften sie anfällig für Korrekturen bleiben", befindet Claudia Windt von der Helaba. Zwar hätten sich viele politische Risiken nicht materialisiert, allerdings bleibe nur wenig übrig, um daraus Impulse für zusätzliches Wachstum abzuleiten. Bislang habe sich von den großartigen Investitionsplänen Trumps beispielsweise nur die Privatisierung der Flugsicherung konkretisiert. Gleichzeitig stünde die tatsächliche Umsetzung der angekündigten Reformen in Frankreich noch aus, wenngleich Präsident Emmanuel Macron mit der absoluten Mehrheit bei der gestrigen Parlamentswahl eine gute Ausgangslage habe, auch schwierige Entscheidungen durchzusetzen. "Politische Risiken in der Eurozone können jederzeit wieder auf die Tagesordnung kommen", urteilt die Helaba-Analystin. Auch befinde sich die Unternehmensstimmung im Euroraum auf einem Hochpunkt, ebenso wie die Sorglosigkeit der Anleger. "Eine Konsolidierung ist in den Sommermonaten deshalb angesagt", schließt Windt daraus.
Vorübergehende Schwäche
Seit Mitte Mai lässt die Power der DAX-Käufer spürbar nach, wie Franz-Georg Wenner vom Börsenbrief Index Radar feststellt. Dies zeige sich besonders deutlich in den Kerzencharts. "Während in Aufwärtstrend der Markt häufig im Bereich der Tageshochs den Handel beendet, kommt es seit rund vier Wochen wiederholt zu Gewinnmitnahmen vor der Schlussglocke." Diese Tendenz sieht Wenner noch mindestens bis zum Monatsende anhalten. Im saisonalen Bild verlaufe die erste Juni-Hälfte meist robust, ab der Mitte stünden die Kurse aber häufig unter Druck. "Die seit gut einer Woche zu beobachtenden Mittelabflüsse aus den bisher starken Technologie-Aktien könnten sich als Auftakt einer Konsolidierung erweisen und diese Regel erneut bestätigen."
Die Leitplanken für den DAX seien dabei recht klar. "Erst ein Tagesschluss über 12.900 Punkte würde die Zweifel endgültig beseitigen und den Startschuss für einen weiteren Aufwärtsimpuls über die 13.000 liefern." Falle der Markt hingegen unter die Mitte der seit Wochen bestehenden Trading-Range bei 12.660 Zählern, gehe die Reise zunächst bis an die nächste Haltemarke bei 12.480 DAX-Punkten. Grund zur Sorge sieht Wenner aber erst, wenn auch der seit Februar bestehende Aufwärtstrend bei 12.300 Punkten unterboten wird.
Kurzfristig mehr Bewegung
Christian Schmidt fällt die technische Lagebeurteilung des hiesigen Bluechip-Index nicht leicht. Auf der einen Seite würden neue prozyklische Rekordstände ausgebildet, andererseits macht der Charttechniker der Helaba eine Reihe von nicht idealtypischen Konstellationen aus. Dazu gehörten das Scheitern an Projektionsstrukturmarken, negative Divergenzen, eine schwache Bewegungsdynamik sowie Candle-Formationen mit Wendecharakter. In dieser Woche finde ein großer "Gann-Tag" und damit das Ende eines Zeitzyklus statt. In der Nähe entstünden häufig markante Impulsbewegungen.
Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftsdaten
Donnerstag, 22. Juni
20.00 Uhr. Mexiko: Zinsentscheid. Die mexikanische Zentralbank Banxico befindet darüber, ob sie dem Beispiel der Federal Reserve folgt und ihren Leitzins anhebt. Seit Ende 2015 sei der Zinssatz um insgesamt 375 Basispunkte auf zuletzt 6,75 Prozent gestiegen, wobei die bisherige Straffung der Geldpolitik nach Ansicht der DekaBank die Inflationserwartungen stabilisieren sollte. Zwar habe die Teuerungssrate im Mai aufgrund höherer Nahrungsmittel- und Kraftstoffpreise 6,2 Prozent erreicht und liege damit deutlich über den angestrebten 3 Prozent. Die Aufwertung des mexikanischen Peso gegenüber dem US-Dollar um 15 Prozent seit Jahresbeginn führe aber tendenziell zu einem Rückgang der Inflationsrate und mache eine weitere Leitzinsanhebung überflüssig.
Freitag, 23. Juni
10.00 Uhr. Euroraum: PMI verarbeitendes Gewerbe und Dienstleistungen Juni. Die Luft für Stimmungsverbesserungen im gemeinsamen Währungsraum ist nach Ansicht der DekaBank dünn geworden. Dies gelte auch für den Einkaufsmanagerindex und seine zwei Teilindizes Dienstleister und Industrie. Beide Barometer bewegten sich im Bereich der höchsten Niveaus der vergangenen sechs Jahre. Da in den vergangenen Wochen negative Impulse keine Rolle gespielt hätten, deute wenig auf spürbar nachgebende Werte. Vielmehr spreche eine schwache Seitwärtsbewegung auf hohem Niveau für nach wie vor gute Laune bei europäischen Unternehmen und solides Wachstum im zweiten Quartal.
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Von: Iris Merker 19. Juni 2017, © Deutsche Börse AG
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
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