BERLIN (dpa-AFX) - Vor den erwarteten letzten größeren Rentenbeschlüssen der Koalition müssen Union und SPD heftige Kritik an ihrer Politik gegen Altersarmut einstecken. An diesem Donnerstag sollen im Bundestag eine Reform der Betriebsrenten und Verbesserungen für Erwerbsminderungsrentner beschlossen werden. Zudem soll die künftige Ost-West-Angleichung der Rente besiegelt werden. Gegenwind bekommt die Regierung von den Linken und vom Sozialverband VdK Deutschland.
"Für die Alterssicherung der Bevölkerung bedeutet die dritte Regierung Merkel vier weitere verlorene Jahre", sagte Linken-Chef Bernd Riexinger der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) habe die Rente nicht armutsfest gemacht. "Im Gegenteil, Reformen wie die zur Betriebsrente verschlimmbessern die Situation, weil sie die gesetzliche Rente weiter schwächen und die Versicherten vollends der Willkür der Finanzmärkte unterwerfen."
Mit ihrer Betriebsrentenreform will die Koalition diese Form der Alterssicherung bei Geringverdienern und in kleineren Unternehmen verbreitern. Die Ostrenten sollen bis zum 1. Januar 2025 voll an die Bezüge im Westen angeglichen werden. Geplant sind zudem höhere Bezüge für all jene, die aus Gesundheitsgründen oder wegen eines Unfalls nicht mehr oder nicht mehr voll arbeiten können.
Laut einer der dpa vorliegenden Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken wurden viele Anträge auf eine solche Erwerbsminderungsrente 2016 abgelehnt. Es waren 150 752 abgelehnte Anträge bei 355 572 erledigten Neuanträgen. Die durchschnittliche Höhe bei Erwerbsminderungsrenten lag im Jahr 2015 bei 672 Euro; 711 Euro bei voller, 385 Euro bei teilweiser Erwerbsminderung.
VdK-Präsidentin Ulrike Mascher sagte der dpa: "Es ist begrüßenswert, dass die Bundesregierung in den letzten vier Jahren verschiedene Schritte eingeleitet hat, damit Menschen im Alter eine anständige Rente bekommen." Der notwendige Kurswechsel in der Rentenpolitik sei damit aber nicht vollzogen. "Viele armutsgefährdete Gruppen wie Geringverdiener, Erwerbsminderungsrentner, (Solo-)Selbstständige sowie Langzeitarbeitslose werden durch diese Maßnahmen nicht im erforderlichen Umfang erreicht." Sie blieben von Altersarmut bedroht.
Die Co-Vorsitzende der Linken, Katja Kipping, kritisierte, dass die Renteneinheit erst 2025 komplett kommen solle. Dies bedeute, "dass selbst heute Zehnjährige in über 50 Jahren noch sehen können, ob sie im Osten oder Westen zu arbeiten begonnen haben", sagte sie der dpa.
Die SPD-Sozialpolitikerin Katja Mast verteidigte den Rentenkurs. "Wir haben verspochen und wir liefern", sagte sie der dpa. "Mit den heutigen Entscheidungen verbessern wir erneut die Erwerbsminderungsrente, setzen die Ost-West-Angleichung um und stärken Betriebsrenten." Nahles habe zudem ein weitergehendes Konzept vorgelegt. Um Altersarmut zu verhindern, sei dabei eine Solidarrente und ein Einbezug aller Selbstständigen in die Rente geplant. "Diese ehrgeizigen Schritte sind mit CDU und CSU nicht möglich."
Mascher forderte zudem unter anderem eine Abschaffung der Kürzungsfaktoren in der Rentenformel und die komplette Abschaffung der Abschläge für Erwerbsminderungsrentner.
Der Chef der IG Bergbau, Chemie, Energie, Michael Vassiliadis, lobte die geplante Betriebsrentenreform. "Hier hat die Koalition ein wegweisendes Gesetz auf den Weg gebracht, das vielen Menschen die Chance auf eine zweite Rente eröffnet, die den Namen wirklich verdient", sagte er der dpa./bw/DP/zb
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