Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht weiterhin die Gefahr, dass es an den internationalen Finanzmärkten zu einem Anstieg der Risikoprämien kommt, was die Stabilität des von schwachen Gewinnaussichten belasteten Bankensektors gefährden würde. "Das Risiko einer raschen Neubepreisung der globalen Risikoprämien bleibt signifikant", schreibt die EZB in ihrem aktuellen Finanzstabilitätsbericht. Die anhaltende Kompression der Risikoprämien, eine niedrige Volatilität und Anzeichen einer steigenden Bereitschaft zur Risikoübernahme an den internationalen Finanzmärkten seien besorgniserregend, weil sie die Grundlage für künftige Preiskorrekturen bilden könnten.
Die EZB weist darauf hin, dass die Banken des Euroraums weiterhin unter einer strukturell niedrigen Profitabilität leiden. "Der Marktdruck auf die Banken des Euroraums hat sich seit Mai verringert, trotzdem ist die Bewertung vieler Banken im internationalen Vergleich weiterhin niedrig", merkt die EZB an. In einigen Regionen würden die Gewinnaussichten vom hohen Bestand notleidender Kredite gedämpft. Zudem würden die Gewinnaussichten auch von anderen strukturellen Faktoren belastet, darunter Überkapazitäten, mangelnder Ertragsdiversität und Kostenineffizienz.
Laut EZB hat die anhaltende Konjunkturerholung die Schuldentragfähigkeit der Staaten in den vergangenen sechs Monaten erhöht. Allerdings könnte eine wiederauflebende politische Unsicherheit zu höheren Risikoprämien von Staatsanleihen führen, was wiederum Zweifel an der Schuldentragfähigkeit einiger Länder wecken könnte. Ein Risiko sieht die EZB auch in der Verschuldung nicht-finanzieller Unternehmen, die sowohl im historischen als auch im internationalen Vergleich hoch sei.
Risiken für die Finanzstabilität könnten sich laut EZB auch aus der erhöhten Risikoübernahme durch Investmentfonds ergeben, die verstärkt in Anlagen mit niedrigerer Bonität, aber höherer Verzinsung investierten. Zugleich seien die Liquiditätspuffer dieser Fonds leicht gesunken, was die Marktauswirkungen möglicher Mittelabzüge verstärke.
Vor diesem Hintergrund sieht die EZB vier Hauptrisiken für die Finanzstabilität:
1. Eine abrupte und deutliche Neubepreisung der Risikoprämien an den internationalen Finanzmärkten, ausgelöst durch einen erwarteten Politikwechsel, die zu einer Straffung der Finanzierungsbedingungen führen würde
2. Rückkopplungen zwischen schwacher Bankprofitabilität und niedrigem nominalen Wirtschaftswachstum vor dem Hintergrund struktureller Probleme des Bankensektors der Eurozone
3. Sorgen über die Tragfähigkeit öffentlicher und privater Schulden vor dem Hintergrund einer möglichen Risikoneubepreisung und erhöhter politischer Fragmentierung
4. Liquiditätsrisiken im Finanzsektor (außerhalb der Banken) mit möglichen Übertragungseffekten auf das breitere Finanzsystem
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November 29, 2017 05:00 ET (10:00 GMT)
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