Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Der Anstieg der Salden des Großbetragszahlungssystems Target2 ist nach Aussage der Europäischen Zentralbank (EZB) kein Symptom einer Kapitalflucht aus dem Süden in den Norden der Eurozone. In ihrem aktuellen Wirtschaftsbericht bekräftigt die EZB ihre Einschätzung, dass die Ursache der höheren Salden vor allem die Anleihekäufe des Eurosystems, aber auch Umschichtungen bei Wertpapieranlagen sind.
Die Forderungen der Deutschen Bundesbank gegenüber der EZB im Rahmen des Target2-System hatten Ende April bei 843 Milliarden Euro gelegen, die Luxemburgs bei 190 Milliarden und die der Niederlande bei 103 Milliarden. Positive Salden verzeichneten außerdem Finnland, Zypern, Malta und Estland. Die größten Target2-Verbindlichleiten wiesen Italien (411 Milliarden Euro), Spanien (366 Milliarden Euro), Griechenland (77 Milliarden Euro) und Portugal (76) Milliarden Euro auf.
In Deutschland wird der stetige Anstieg der Target2-Salden mit Misstrauen verfolgt. Manche Politiker und Ökonomen sehen ein erhöhtes Risiko, dass Deutschland auf einem Teil dieser Forderungen sitzenbleiben könnte, sollte ein Land aus dem Euro ausscheiden. Sie betrachten die zunehmend positiven Salden Deutschland als ein Symptom dafür, dass Anleger ihr Geld lieber im Norden als im Süden der Eurozone parken, weil es hier sicherer ist.
Die EZB legte in ihrem Wirtschaftsbericht dagegen erneut dar, dass der Anstieg der Salden vor allem eine technische Nebenwirkung der milliardenschweren Anleihekäufe des Eurosystems im Rahmen des Ankaufprogramms APP sei. Sie wies auch darauf hin, dass es sehr wohl zu Mittelflüssen aus Target2-Forderungsländern in -Verbindlichkeitsländer komme, was gegen die These einer neuen Kapitalflucht wie während der Finanzkrise spreche. Die alleine auf Basis der APP-bedingten Flüsse basierenden Target2-Salden wären noch höher gewesen, argumentierte die EZB.
In die Höhe getrieben werden die Target2-Salden laut EZB außerdem von internationalen Portfolioumschichtungen. Grund ist, dass Anleger auf der Suche nach Rendite Euro-Anleihen verkaufen und stattdessen zum Beispiel US-Staatsanleihen kaufen. "Bei solchen internationalen Portfoliorestrukturierungen sind in der Regel Akteure mit Sitz in den großen Finanzzentren des Euroraums zwischengeschaltet, was zur Akkumulation von Währungsreserven an bestimmten Standorten und zur Fortdauer der Target-Salden beiträgt", erläuterte die EZB.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
DJG/hab/apo
(END) Dow Jones Newswires
June 22, 2017 04:23 ET (08:23 GMT)
Copyright (c) 2017 Dow Jones & Company, Inc.