Von Manuel Priego-Thimmel
FRANKFURT (Dow Jones)--Europas Börsen geben am Freitagnachmittag ihre Gewinne wieder ab. Die Stimmung wird als angeschlagen und vorsichtig beschrieben. Nicht nur die hohe Bewertung in einzelnen Sektoren, vor allem in den USA, sorgt für Unruhe, sondern auch der Renditeanstieg an den Anleihemärkten in den vergangenen Tagen nach der als falkenhaft interpretierten Rede von EZB-Präsident Mario Draghi. Der DAX verliert 0,5 Prozent auf 12.361 Punkte, für den Euro-Stoxx-50 geht es 0,4 Prozent auf 3.456 Punkte nach unten.
An den Finanzmärkten wird seit den Draghi-Aussagen verstärkt die Zinswende gespielt. Draghi hatte am Dienstag die Bereitschaft der EZB zur Anpassung der Geldpolitik an die anhaltende Konjunkturerholung angedeutet und ebenso die Erwartung, dass sich die gute Konjunktur auch in einer höheren Inflation niederschlagen werde.
Es gibt aber auch andere Meinungen: Für Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding ist die Rede nicht falkenhaft gewesen und zudem ausgewogen ausgefallen. Sie gebe keinen Anlass von der Einschätzung abzurücken, dass die EZB weiter im Schneckentempo auf den Exit aus ihrer sehr lockeren Geldpolitik zusteuere.
Kernteuerungsrate steigt stärker als erwartet
Unterdessen ist die Kernteuerungsrate im Euroraum im Juni etwas stärker als erwartet gestiegen, was die Einschätzung Draghis zu unterstützen scheint. Die Preise sind im Kern auf 1,1 Prozent gestiegen. Volkswirte hatten 1,0 Prozent erwartet. Die Commerzbank glaubt allerdings, dass der Preisanstieg nicht der Beginn der von der EZB erhofften Aufwärtsbewegung ist. Denn noch gebe es keine Anzeichen für einen deutlich stärkeren Lohnanstieg.
Der Euro reagiert tatsächlich kaum auf die neuen Preisdaten und notiert bei 1,1420 Dollar. Am Morgen stand die Gemeinschaftswährung bereits bei 1,1440 Dollar. Einigen Marktbeobachtern zufolge wurde der etwas stärkere Preisauftrieb am Vortag bereits eingepreist, als erste Preisdaten aus deutschen Bundesländern eine ähnliche Tendenz aufzeigten. Am Rentenmarkt geben die Kurse nach volatilem Verlauf nach den massiven Verlusten der vergangenen Tage weiter nach, die deutsche Zehnjahresrendite klettert auf 0,464 Prozent.
Bayer überrascht mit Gewinnwarnung
Unter Druck stehen im DAX Bayer mit einem Minus von 3,9 Prozent. Das Pharma- und Agrarchemieunternehmen hat eine Gewinnwarnung ausgegeben. Ein schwaches Geschäft in Brasilien werde den Gewinn des Geschäftsbereichs Crop Science bis zu 400 Millionen Euro niedriger ausfallen lassen. Dadurch werde auch die Konzernprognose bei Umsatz und Gewinn fallen, heißt es. Die DZ-Bank spricht von einem Vertrauensverlust. Zudem treffe es die Pflanzenschutz-Sparte Crop Science kurz vor Ende des Fusionsprozesses mit Monsanto, der bis Ende des Jahres abgeschlossen sein soll.
Adidas legen hingegen um 2,5 Prozent zu nach sehr gut ausgefallenen Zahlen des Konkurrenten Nike. Als gut auch für Adidas bezeichnen Händler, dass das Nike-Geschäft vor allem in China und Westeuropa gut gelaufen ist.
Gut ausgefallene Zahlen von Micron stützen neben einer allgemeinen Erholung den Chipsektor. Micron hat von einer höher als erwarteten Nachfrage aus dem Cloud- und Mobilgeschäft berichtet. STMicro legen um 0,4 Prozent zu, Infineon um 0,8 Prozent. Der Stoxx-Technologie-Index liegt unter den Branchen-Indizes mit einem Plus von 0,6 Prozent mit an der Spitze. Er hatte am Vortag aber auch mit am stärksten nachgegeben. Der deutsche Technologieindex TecDAX liegt 0,7 Prozent im Plus.
Unter Druck steht die Aktie des schwedischen Bremsenherstellers Haldex. Hatte zuletzt Knorr-Bremse angekündigt, die Annahmefrist für sein Übernahmeangebot für Haldex erneut verlängern zu wollen, glauben die Schweden offenbar nicht mehr an eine Übernahme. Nach deren Auffassung ist die Wahrscheinlichkeit einer wettbewerbsrechtlichen Freigabe so niedrig, dass man Knorr-Bremse nicht weiter unterstützen werde. Der Haldex-Kurs fällt um 8,3 Prozent zurück auf 104,75 Kronen. Knorr-Bremse hatte 125 Kronen je Aktie geboten.
Delivery Hero liefert - Noratis nicht
Erfolgreich gestaltet sich das Börsendebüt von Delivery Hero. Der erste Kurs der Aktie wurde mit 26,90 Euro festgestellt. Gegenüber dem Ausgabepreis an Erstzeichner von 25,50 Euro entspricht das einem Plus von 5,4 Prozent. Der Börsengang hatte sich schon im Vorfeld reger Nachfrage erfreut, so dass der Vermittler von Essensbestellungen den Angebotspreis auf das obere Ende der Preisspanne von 22,00 bis 25,50 Euro hatte legen können. Zuletzt gingen Delivery Hero mit 27,01 Euro um.
Ganz anders sieht es beim Börsendebüt von Noratis aus. Wurden die Aktien des Entwicklers von Bestandswohnungen bereits am unteren Ende der Angebotsspanne ausgegeben, lag der erste Kurs mit 18,75 Euro auf exakt diesem Niveau. In der Zwischenzeit werden die Aktien mit 16,86 Euro gehandelt.
=== INDEX zuletzt +/- % absolut +/- % YTD Euro-Stoxx-50 3.455,97 -0,44 -15,36 5,03 Stoxx-50 3.131,91 -0,34 -10,56 4,03 DAX 12.360,50 -0,45 -55,69 7,66 MDAX 24.487,17 0,23 55,90 10,36 TecDAX 2.191,44 0,84 18,22 20,96 SDAX 10.825,40 0,17 18,71 13,72 FTSE 7.343,37 -0,09 -6,95 2,81 CAC 5.144,59 -0,19 -9,75 5,81 Bund-Future 161,97 -0,16 -0,51 DEVISEN zuletzt +/- % Fr, 8:50 Do, 17.15 Uhr % YTD EUR/USD 1,1423 -0,04% 1,1428 1,1426 +8,6% EUR/JPY 128,04 +0,01% 128,03 128,53 +4,2% EUR/CHF 1,0926 -0,12% 1,0940 1,0933 +2,0% EUR/GBP 0,8800 +0,21% 0,8781 1,1364 +3,2% USD/JPY 112,09 +0,05% 112,03 112,48 -4,1% GBP/USD 1,2983 -0,24% 1,3014 1,2984 +5,2% ROHÖL zuletzt VT-Settl. +/- % +/- USD % YTD WTI/Nymex 45,29 44,93 +0,8% 0,36 -20,4% Brent/ICE 47,60 47,42 +0,4% 0,18 -19,0% METALLE zuletzt Vortag +/- % +/- USD % YTD Gold (Spot) 1.244,36 1.245,70 -0,1% -1,34 +8,1% Silber (Spot) 16,66 16,63 +0,2% +0,03 +4,6% Platin (Spot) 925,25 922,00 +0,4% +3,25 +2,4% Kupfer-Future 2,69 2,68 +0,4% +0,01 +7,0% ===
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June 30, 2017 10:22 ET (14:22 GMT)
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