
BRASILIA (dpa-AFX) - Nachdem Brasiliens Präsident Michel Temer (76) seine Gipfelteilnahme zunächst abgesagt hatte, will er nun offensichtlich doch zum Treffen mit den G20-Kollegen nach Hamburg reisen. Das verlautete am Montag aus dem Präsidentenpalast in Brasilia. Temer war vergangene Woche wegen Korruptionsverdacht von Generalstaatsanwalt Rodrigo Janot als erster Präsident Brasiliens während der Amtszeit angeklagt worden. Das Verfahren war als Grund für seinen zunächst erklärten Verzicht auf die Reise zum G20-Gipfel angeführt worden.
Er muss fürchten, dass sich bei einer längeren Abwesenheit bisherige Verbündete gegen ihn verschwören. Die Regierung ist gelähmt, geplante Reformen wie des Arbeitsmarktes werden durch den Skandal immer schwerer durchsetzbar. Wie das Portal "O Globo" berichtete, sei Temer von führenden Beratern davon überzeugt worden, dass er bei dem Treffen am 7. und 8. Juli eigentlich nicht fehlen könne - zudem wolle er den Eindruck vermeiden, dass er nicht mehr handlungsfähig sei.
Das Hin und Her spiegelt das aktuelle politische Chaos wieder. Die Entscheidung über das Strafverfahren gegen Temer am Obersten Gerichtshof liegt beim Abgeordnetenhaus. Dazu müssten zwei Drittel zustimmen - mindestens 342 der 513 Parlamentarier. In der Folge könnte Temer zunächst für ein halbes Jahr des Amtes enthoben werden. Janot beschuldigt Temer, Schmiergeldzahlungen akzeptiert und zugunsten des größten Fleischkonzerns der Welt, JBS, Einfluss auf die Wettbewerbsbehörde genommen zu haben. Zudem geht es um den Vorwurf von Schweigegeldabsprachen, damit ein Mitwisser nicht auspackt.
Temer hatte als Vizepräsident 2016 die Macht nach der Amtsenthebung der linken Präsidentin Dilma Rousseff übernommen. Die Zustimmung zu seiner Amtsführung ist auf sieben Prozent gesunken. Brasilien ist nur noch die neuntgrößte Volkswirtschaft der Welt, denn seit 2015 brach die Wirtschaftsleistung um 7,4 Prozent ein. Knapp 14 Millionen Menschen sind arbeitslos. Die Regierung will zur Überwindung der Krise verstärkt neue Investoren anlocken und darüber hinaus neue Handelsbündnisse schmieden - auch dafür käme der G20-Gipfel gelegen./ir/DP/zb
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