FRANKFURT (DEUTSCHE-BOERSE AG) - 28. August 2017. Trotz Stabilisierung an den internationalen Börsen bleibt die Lage nach Ansicht von Charttechnikern angespannt.
Weder die Europäische Zentralbank noch die Federal Reserve ließen sich während des Treffens der weltweiten Finanzelite in Jackson in die Karten schauen. Wie es mit dem Ende des Jahres auslaufenden Anleihen-Kaufprogramm in der Währungsgemeinschaft weitergeht, wird nach Ansicht von Analysten nun vermutlich die kommende EZB-Ratssitzung am 7. September lüften. Abhängig von der Entwicklung der Wirtschaft und Teuerungsrate stehe eine Reduzierung der Anleihen-Käufe ab Januar 2018 zur Diskussion.
Starke Währung kein Grund zur Sorge
Der feste Euro scheint den europäischen Notenbankern zu diesem Zeitpunkt kaum Kopfschmerzen zu bereiten. Jackson Hole habe zumindest keine Erkenntnisse dazu geliefert, ob EZB-Präsident Mario Draghi Anstalten macht, gegen eine zu starke Gemeinschaftswährung zu intervenieren. Daraufhin stieg der Euro auf über 1,19 US-Dollar. Auch gegenüber dem britischen Pfund und dem Schweizer Franken legte der Euro in der vergangenen Handelswoche zu.
Für Claudia Windt ist die Währungsstärke Ausdruck der günstigen Konjunkturlage. Etwa erreichte die Industriesparte der europäischen Einkaufsmanagerindizes der Helaba-Analystin zufolge mit 57,4 Punkten im Juli wieder sein Allzeithoch vom April. "Die europäische Wirtschaft dürfte folglich in den Sommermonaten weiter dynamisch wachsen, allerdings ohne noch eine Schippe drauflegen zu können."
Denn höhere Rohstoffpreise und der feste Euro lasteten auf den Unternehmensgewinnen. Zudem führten die vielen politischen Risiken zu Investitionszurückhaltung. "US-Präsident Trump ist schwer berechenbar, ebenso wie es die britische Führung mit ihrer Position zum Brexit ist." Im Gegensatz dazu scheine das restliche Europa geradezu geeint.
Versöhnlicher Herbst
Den gegenwärtigen Zustand an den europäischen Aktienmärkten beschreibt Robert Halver als stabile Seitenlage. "Der Nordkorea-Konflikt, die Euro-Stärke, geldpolitische Befürchtungen und Trumps Verbalerotik haben ein reinigendes Gewitter verursacht", fasst der Analyst der Baader Bank zusammen. Das vierte Quartal werde sich aller Voraussicht nach freundlicher präsentieren. Die ausbleibende große geldpolitische Trendwende und der sich mittelfristig wieder abschwächende Euro sprächen dafür. Auch das Thema "Dieselgate" entwickele sich mit Hilfe von Umwelt- bzw. Kaufprämien zu einem Segen für die deutsche Autoindustrie.
Trump bleibt unbekannte Größe
"Ohnehin deuten die Sentiment-Indikatoren nicht auf Unheil für die Aktienmärkte hin." Bei US-Aktien zeige sich der Anteil der Optimisten im Verhältnis zu den Pessimisten in einem tief neutralen und nicht überhitzten Bereich. Allerdings bleibe Trump grundsätzlich ein markantes Handicap für die Finanzmärkte. Als mächtigster Mann der Welt könne der US-Präsident potenziell und tatsächlich viel Schaden anrichten. Trumps Außenpolitik sei flexibel wie Wechselstrom. "Liebt er nun Russland oder hasst er es? Will er China in den Nordkorea-Konflikt einbinden oder es lieber öffentlich verbal ohrfeigen?" Hinzu komme das jüngste Kampfgeschrei Richtung Afghanistan, obwohl er im Wahlkampf das direkte Gegenteil versprochen habe.
DAX gefangen im Sommerloch
Aus technischer Perspektive wirft die alljährlich wiederkehrende saisonale Schwächephase bis Oktober nach Auffassung von Karen Szola ihre Schatten voraus. Nach dem Allzeithoch vom Juni habe sich ein kurzfristiger Abwärtstrend formiert, der das deutsche Aktienbarometer aktuell im Bereich um 12.230 Punkten als Widerstandslinie an einer weiteren Erholungsbewegung hindere. "Zusammen mit der unteren Parallele dieses Abwärtstrends könnte es sich im positiven Fall um eine Konsolidierungsflagge handeln", meint die technische Analystin von Euro am Sonntag und Börse Online. "Wird sie nachhaltig mit einem dynamischen Ausbruch nach oben verlassen, eröffnet sich weiteres Anstiegspotenzial in Richtung der alten Höchststände." Unterstützung bekomme der DAX aus Indikatoren-Sicht von der nun wieder leicht anziehenden relativen Stärke und einem steigenden Momentum.
Dagegen stehe nicht nur die erwähnte Saisonalität, auch von der Wall Street drohe aus zyklischer Sicht Ungemach. "Die Rede ist vom Dekaden-Zyklus." Statistische Auswertungen haben Szola zufolge ergeben, dass "Siebener-Jahre" im Spätsommer und Herbst durchschnittlich für Aktien sehr schlecht laufen. Erschwerend komme hinzu, dass es sich um ein Nachwahljahr handelt, in denen der Dow Jones im Durchschnitt zwischen September und Mitte November etwa um 5 Prozent nachgegeben habe. "Dieser Schwäche wird sich der DAX nur schwer entziehen können." Demnach steige die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Notierungen eher rückläufig entwickeln. Für das wahrscheinlichste Szenario hält die Analystin einen Test der Unterstützungszone um 11.500 Punkte. "Auf dem Niveau liegt das 38,2-Prozent-Fibonacci-Retracement der Aufwärtswelle seit Juni 2016."
Bullen haben es schwer
Für Gregor Bauer bewegt sich der DAX weiterhin in einem Abwärts-Trendkanal, der seinen Ausgang im Rekord von Juni bei 12.950 Punkten genommen habe. Mit dem Hoch vom Freitag sei der deutsche Aktienindex mit 12.249 Punkten genau an der oberen Begrenzungslinie dieses Kanals abgeprallt und schließlich bei einem Stand von 12.168 Punkten aus dem Handel gegangen. Der unabhängige technische Analyst wertet dies als bearishes Signal, da der DAX an dieser Hürde in den Tagen zuvor bereits mehrfach gescheitert sei. "Die nächste Unterstützung auf dem Weg nach unten macht Bauer nun an der 200-Tage-Linie bei 12.000 Punkten fest. In diesem Bereich verlaufe auch eine horizontale Haltelinie. Breche der deutsche Bluechip Index auch diese Marke, folge am unteren Rand der Kanalbegrenzung ein Halt zwischen 11.800 und 11.700 DAX-Zählern.
"Spätestens hier besteht die begründete Hoffnung auf eine Gegenreaktion." Diesen Bereich würden sich insbesondere Trader genauer anschauen. Ob der zu erwartende Impuls dann durch den Einstieg längerfristig orientierter Investoren zu einem Aufwärtstrend wird, entscheide sich erst, wenn in Folge die obere Begrenzungslinie des aktuellen Abwärtskanals nach oben durchbrochen werde.
Wichtige Konjunktur- und Wirtschaftsdaten Mittwoch, 30. August
11.00 Uhr. Euroraum: Economic Sentiment August. Nachdem das monatlich von der EU-Kommission ermittelte Sentiment im Juli den höchsten Wert seit Sommer 2007 erreichte, gehört die die europäische Schuldenkrise ebenso wie die Weltfinanzkrise nach Ansicht der DekaBank der Vergangenheit an. Im August rechnen die Analysten nun mit einem leichten Rückgang, sehen darin aber keine konjunkturelle Trendwende. Vielmehr handele es sich um eine Normalisierung nach einer Periode, in der die gute Stimmung der wirtschaftlichen Entwicklung enteilt sei.
Donnerstag, 31. August
11.00 Uhr. Euroraum: Vorläufige Verbraucherpreise HVPI August. Die Inflation dürfte laut DekaBank im August wieder auf 1,5 Prozent zugelegt haben. Dazu beigetragen hätten insbesondere höhere Benzin-, Diesel- und Heizölpreise. Zudem wirkten Basiseffekte aufgrund rückläufiger Preise von Energiegütern im August vergangenen Jahres positiv auf die gemessene Inflationsrate. Die Kernteuerungsrate werde demgegenüber leicht auf 1,1 Prozent zurückgegangen sein. Zwar erscheine es noch zu früh für einen dämpfenden Einfluss durch die Aufwertung des Euro. Die starke Gemeinschaftswährung drücke jedoch die Preissteigerungen bei Pauschalreisen, Hotelübernachtungen und Transportdienstleistungen. Saisonale Störungen im Zusammenhang mit der Lage von Feiertagen und Ferien würden sich hingegen allmählich auflösen.
von: Iris Merker 28. August 2017, © Deutsche Börse AG
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
AXC0081 2017-08-28/11:05