DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Sieben Jahre nach Beginn der Ermittlungen um den skandalträchtigen Neubau des NRW-Landesarchivs hat die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben. Das hat eine Sprecherin des Düsseldorfer Landgerichts auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitgeteilt.
Angeklagt wegen des Verdachts der schweren Untreue ist nun der damalige Chef des landeseigenen Baubetriebs BLB, Ferdinand Tiggemann. Die Baukosten für das Archiv im Duisburger Innenhafen waren von ursprünglich geplanten 30 auf über 200 Millionen Euro aus dem Ruder gelaufen.
Das NRW-Landesarchiv gab dem Korruptionsskandal um den Landesbaubetrieb BLB jahrelang ein Gesicht. Der 70 Meter hohe fensterlose Betonkoloss im Duisburger Innenhafen wurde zu einer Akten-Verwahrstelle der besonderen Art. Ganz zu Beginn sollte der umstrittene Archivneubau 30 Millionen Euro kosten, zum Schluss sollen es über 200 Millionen Euro gewesen sein. Spätestens da galt er bereits als "Elbphilharmonie des Westens".
Der einst mächtige Ex-Boss des größten Landesbetriebs Nordrhein-Westfalens soll aber die Grundstücke für das Landesarchiv im Duisburger Innenhafen für knapp 30 Millionen Euro gekauft haben, obwohl sie laut Gutachten lediglich 21,8 Millionen Euro wert waren. Nachverhandlungen habe er nicht geführt und auf Rücktrittsrechte verzichtet. Damit habe er dem Land NRW einen Vermögensnachteil von 8,1 Millionen Euro beschert, führt die Anklage aus.
Tiggemann sitzt bereits wegen Korruption bei anderen Bauprojekten in Untersuchungshaft. Das Landgericht hatte ihn im Februar wegen Bestechlichkeit und Untreue zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Das Gericht in Düsseldorf, bei dessen Bau ebenfalls Korruption im Spiel gewesen sein soll, hatte deutliche Worte für den Baumanager gefunden: "Einer der bestbezahlten Funktionsträger des Landes Nordrhein-Westfalen hat sich federführend an einem kriminellen Komplott zu Lasten der Steuerzahler beteiligt", hatte der Vorsitzende Richter Guido Noltze ausgeführt.
Tiggemann war noch im Gerichtssaal verhaftet worden. Er soll mindestens 178 000 Euro Schmiergeld kassiert haben. In einer Reihe von Fällen, bei denen das Land durch den Baubetrieb BLB als Bauherr auftrat, waren dem Steuerzahler Schäden in Millionenhöhe entstanden. Dies hatten Prüfungen des Landesrechnungshofs bestätigt.
Tiggemann soll über etliche Jahre Informationen über anstehende Bauprojekte an einen mehrfach vorbestraften Berufskriminellen "durchgestochen" haben. So konnten Zwischenkäufer dem Land die Grundstücke wegschnappen und mit Millionen-Aufschlägen weiterverkaufen.
Im Fall des Landesarchiv ließ sich der Korruptionsverdacht letztlich nicht erhärten. Die Zwischenkäufer hatten ihre Unschuld beteuert und betont, auf das Angebot eines obskuren Mittelsmanns, eines vorbestraften Immobilienmaklers, nicht eingegangen zu sein. Sie hätten bereits vorher Kontakt zum Alteigentümer der Flächen gehabt.
Gegen Tiggemann, dem nun zwei weitere Strafprozesse drohen, war bereits im Sommer eine weitere Anklage erhoben worden: Im Zusammenhang mit dem Grundstückskauf "Kölner Domgärten" wird ihm ebenfalls Untreue vorgeworfen.
Beim Kauf der Grundstücke der Kölner Dombrauerei sollen weit überhöhte Preise gezahlt worden sein. Dem Steuerzahler sei dabei den Ermittlungen zufolge sogar ein Schaden von fast 48 Millionen Euro entstanden.
Tiggemann und seine Verteidiger hatten mehrfach dessen Unschuld beteuert. Im Fall des Landesarchivs halten ihm die Ermittler nun zugute, dass er die Erwartung der Landesregierung erfüllen wollte, den Bau rechtzeitig zum Europäischen Kulturstadtjahr 2010 als "Leuchtturmprojekt" für das Ruhrgebiet fertiggestellt zu bekommen.
Zwei Untersuchungsausschüsse des Landtags hatten die Vorgänge aus den Jahren 2007 und 2008 überprüft. Der damalige Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) war dabei als Zeuge vernommen worden.
Die Kostenexplosion hatte mehrere Ursachen. So entpuppte sich die Statik des denkmalgeschützten Getreidespeichers im Duisburger Hafen als zu schwach für die Last von 148 Regalkilometern Archiv. Hinzu kamen Fehler bei der Planung der benötigten Regalfläche. Der Landesrechnungshof hatte später festgestellt, dass das Gebäude in nahezu jeder Hinsicht ungeeignet für den geplanten Zweck gewesen sei./fc/DP/zb
AXC0023 2017-10-18/05:59