Von Stefan Lange
BERLIN (Dow Jones)--Kanzlerin Angela Merkel hat weiterhin bestehende Differenzen in den Beziehungen zur Türkei eingeräumt. Die Beziehungen seien in schwerem Fahrwasser gewesen und sie seien es teilweise immer noch, sagte die CDU-Vorsitzende nach einem Treffen mit dem türkischem Ministerpräsidenten Binali Yildirim am Donnerstag in Berlin. Merkel forderte erneut Bewegung im Fall des verhafteten Journalisten Denis Yücel. Dieser Fall habe "eine besondere Dringlichkeit", sagte sie.
Sie wünsche sich ein schnelles und rechtsstaatliches Verfahren für Yücel, sagte Merkel. Ein Jahr nach der Verhaftung sei der Wunsch groß, dass eine Anklageschrift vorgelegt werde.
Es gebe zur Türkei Differenzen in Fragen der Werte und ihrer Umsetzung, sagte Merkel. Es gebe aber auch gemeinsame Interessen. Sie habe deshalb mit der Türkei eine Intensivierung der Kontakte vereinbart, sobald sich die neue deutsche Regierung gebildet habe. Sie habe in dem Gespräch mit Yildirim erfahren, dass auch die Türkei auf eine stabile Regierung in Deutschland warte.
Eine Erweiterung der Zollunion wird es Merkel zufolge so schnell nicht geben. Zunächst müsse die Türkei Fortschritte auf dem Gebiet der Rechtsstaatlichkeit machen.
Yildirim hofft auf Start des Verfahrens
Yildirim erklärte, die Gerichtsverfahren in der Türkei würden nach dem Prinzip der Rechtstaatlichkeit weitergehen. Nach dem Putsch in der Türkei habe die Justiz viel zu tun. Es gebe eine große Arbeitsbelastung der Gerichte. Er hoffe, dass das Verfahren bald eröffnet werden könne. Seine Regierung wünsche sich nicht, dass das Verfahren die deutsch-türkischen Beziehungen belaste.
Die türkische Regierung hatte zuvor Hoffnungen auf eine baldige Freilassung Yücels geweckt. Yildirim sagte dazu jüngst in der ARD, er sei der Ansicht, "dass es in kurzer Zeit eine Entwicklung geben wird".
Yücel hatte sich vor einem Jahr der Polizei in Istanbul freiwillig zur Befragung gestellt. Er wurde in Gewahrsam und danach in Haft genommen. Bis heute gibt es keine Anklageschrift, auch ein Prozessbeginn ist nicht in Sicht. Die Regierung in Ankara beharrt einerseits auf der Unabhängigkeit der Justiz, andererseits hat Staatschef Recep Tayyip Erdogan den Journalisten als deutschen Spion und kurdischen Agenten verdammt.
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February 15, 2018 11:53 ET (16:53 GMT)
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