
HANNOVER (dpa-AFX) - Wer eine Schwäche für gigantische Maschinen hat, kommt auf der weltgrößten Landtechnikmesse Agritechnica auf seine Kosten. Wer dagegen bei dem Wort Landwirtschaft noch immer den gemütlichen Familienbetrieb mit seinem kleinen, alten Traktor vor Augen hat, erlebt in Hannover eine Überraschung: Die Landwirtschaft ist einer der Treiber bei der Digitalisierung und Vernetzung von Maschinen und Arbeitsabläufen - statt von Industrie 4.0 könnte man von Landwirtschaft 4.0 sprechen. Autonom fahrende Traktoren oder Mähdrescher sind keine Zukunftsmusik mehr, Sensoren und Kameras ergreifen Besitz von der Landwirtschaft. Welche Trends beschäftigen die Branche?
DIGITALISIERUNG UND VERNETZUNG: Daten seien auch in der
Landwirtschaft das "Element der Zukunft", erklärte Hans-Juergen
Duensing, Industrievorstand des Technologiezulieferers Continental
Der Landtechnikhersteller Claas wiederum arbeitet an einer App, die dem Landwirt per Smartphone und mit Hilfe von Satellitenbildern Informationen über den Zustand seiner Felder gibt. Das Ziel: auf diese Weise kann ganz gezielt gedüngt werden, die App berechnet auch die Düngermenge. Sensoren könnten außerdem Tiere schützen, erklärte Professor Till Meinel von der Technischen Hochschule Köln: Sensoren im Mähbalken könnten Tiere zwischen den Pflanzen erkennen und das Signal geben: Balken hoch.
AUTONOMES FAHREN: Satellitengesteuerte Mähdrescher gibt es seit
Jahren - aber fährt jetzt der Traktor ohne Fahrer über die Äcker?
Conti-Vorstand Duensing geht davon aus, dass die fahrerlosen Trecker
in der Landwirtschaft Einzug halten werden. Vorstellbar seien
Schwarmverbünde, denen ein Traktor mit Fahrer vorausfährt. "Was für
ein Auto mit Tempo 200 gilt, gilt auch für den Traktor mit Tempo
20", erklärte er. Die Sensoren und Kameras, die nötig seien, gebe
es. Hendrik Brügemann von Claas geht davon aus, dass zunächst der
Fahrer zur Überwachung in der Kabine nötig bleibe - etwa wenn ein
Stein dem Schneidwerk im Weg liege, den kein Sensor entdeckt. Auch
wichtig für das autonome Fahren: ein System von Claas und BMW
ROBOTER: Die Industrie kommt schon lange nicht mehr ohne Roboter aus, in der Landwirtschaft wird das Thema erst langsam spannend. So ist es denkbar, dass Spaziergänger vom Feldrand aus künftig Schwärme kleiner Roboter bei der Maisaussaat sehen können. Ein entsprechendes Projekt "Mars" unter anderem des Landtechnikherstellers Fendt sehe kleine, kooperierende Roboter vor, sagte Professor Arno Ruckelshausen von der Hochschule Osnabrück. Der Vorteil: Die Aussaat ist auch bei Nacht möglich, die rund 40 Kilogramm leichten Maschinen belasten zudem den Boden nicht.
ELEKTRIFIZIERUNG: In der Autobranche geht künftig nichts mehr ohne E-Autos, in der Landwirtschaft ist das etwas komplizierter. Zwar zeigt die Agritechnica die eine oder andere elektrische Maschine oder auch einen E-Traktor. Conti-Vorstand Duensing erklärte aber, bei Hochleistungstraktoren sei die Elektrifizierung "nicht so richtig vorstellbar". Anders sei das bei bislang hydraulischen Maschinen, sagte Bernard Krone, geschäftsführender Gesellschafter des gleichnamigen Landmaschinen- und Trailerherstellers. Da sei Elektrifizierung denkbar.
NETZAUSBAU: Das Problem: ohne entsprechende Netzanbindung wird es schwer. Und Landmaschinen sind nun mal da unterwegs, wo die Versorgung mit schnellem Internet bislang noch hinterher hinkt. Der Fokus beim Glasfaserausbau oder auch bei der Versorgung mit dem Mobilfunkstandard LTE müsse sich auf das ganze Land richten, betonte Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD)./tst/DP/stb
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