FRANKFURT (dpa-AFX) - Der Wahlerfolg von populistischen Parteien in Italien ist nach Einschätzung von Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, der bisher größte politische Unfall in der Eurozone. "Das Wahlergebnis ist das wichtigste Risiko für unseren positiven Ausblick auf die wirtschaftliche Entwicklung in der Eurozone", sagte Schmieding am Dienstag in Frankfurt. "Eine Regierungsbeteiligung ohne eine der großen populistischen Parteien ist nicht möglich."
"Ein Austritt der drittgrößten Volkswirtschaft der Währungsunion aus dem Euro bleibt aber unwahrscheinlich", sagte Schmieding. Bei der stärksten Partei, der 5-Sterne-Bewegung, sei der Euro-Austritt zuletzt kein Thema mehr gewesen. Auch der Chef der rechtspopulistischen Lega, Matteo Salvini, habe sich nach den Wahlen staatsmännisch gegeben.
"Es besteht jedoch die Gefahr, dass der Reformprozess in Italien zunächst ein Ende gefunden hat", sagte der Ökonom. In den vergangenen Jahren seien einige wichtige Reformen umgesetzt worden. Schmieding verwies auf die Rentenreform des früheren Ministerpräsidenten Mario Monti, die Arbeitsmarktreform von Matteo Renzi und Fortschritte im Bankensektor unter dem noch amtierenden Regierungschef Paolo Gentiloni. "Italien ist jedoch nur halbreformiert", sagte Schmieding. Weitere Reformen seien dringend notwendig.
"Es besteht zudem die Gefahr, dass umgesetzte Reformen rückgängig gemacht werden", warnte Schmieding. Beide populistischen Parteien hätten zudem unfinanzierbare Versprechen gemacht. "Dies könne zu heftigen Auseinandersetzungen mit der EU-Kommission führen und das Thema eines Austritts aus der Währungsunion wieder auf die Tagesordnung bringen. So sind nach Einschätzung von Schmieding portugiesische Anleihen attraktiver als italienische Anleihen, da in Falle Portugals ein Austritt aus der Währungsunion definitiv ausgeschlossen werden könnte.
"Allerdings können Populisten in Regierungsverantwortung auch rasch zur Vernunft kommen", sagte Schmieding. Dies sei nach einiger Zeit in Griechenland geschehen. Auch in Österreich habe die Regierungsbeteiligung der populistischen FPÖ nicht zu einer Anti-EU-Politik geführt. Bisher habe sich in der Eurozone immer eine proeuropäische Haltung durchgesetzt./jsl/jkr
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