Vor anderthalb Jahren hatten wir schon einmal einen kritischen Blick auf die hierzulande börsennotierten Modeketten geworfen (Ausgabe 14/2016), nachdem diese aufgrund operativer Probleme durch die Bank kräftige Kursverluste hinnehmen mussten. Inzwischen haben alle vier Unternehmen tiefgreifende Restrukturierungsprogramme eingeleitet, worauf die Aktien jedoch höchst unterschiedlich reagierten. Während sich Tom Tailor seitdem verdoppelt und Hugo Boss um gut 30 % zugelegt hat, mussten Gerry Weber (-13 %) und die Adler Modemärkte (-36 %) weitere Verluste hinnehmen. Grund genug, den aktuellen Zustand der Textilfilialisten erneut zu untersuchen.
Eines lässt sich schon vorab festhalten: Marktseitig weht den deutschen Modeunternehmen nach wie vor eine steife Brise ins Gesicht. Zu schaffen macht der Branche einerseits das dümpelnde Käuferinteresse, denn auch im letzten Jahr konnte der Textileinzelhandel trotz eines allgemein freundlichen Konsumklimas zum fünften Mal in Folge kein Wachstum verzeichnen, der stationäre Modeeinzelhandel ist sogar um weitere 1 bis 2 % geschrumpft. Hinzu kommt der anhaltende Strukturwandel, der Branchenverband BTE schätzt die Überkapazitäten bei den stationären Verkaufsflächen immer noch auf satte 30 bis 40 %, was für weitere Preisschlachten und damit Umsatzrückgänge sorgen dürfte. Wachstum findet hingegen nur an den Rändern statt, also im Discount- und Premiumsegment, und natürlich im Onlinehandel, der auch im letzten Jahr wieder um 6 % zulegen konnte und inzwischen schon 20 % des Textileinzelhandels ausmacht.
Am ehesten trauen wir Hugo Boss zu, in diesem rauen Umfeld wieder Tritt zu fassen. Nach dem Ausstieg des Finanzinvestors Permira, der das Unternehmen finanziell wie strategisch hat ausbluten lassen, finden die Metzinger gerade wieder zu sich zurück. Markantester Einschnitt ist der Rückbau des Markenportfolios. Statt nichtssagender Labels wie "Boss Orange" oder "Boss Green" beschränkt sich der Konzern nun auf seine bestens etablierten Premiummarken "Boss" und "Hugo", jeweils in Herren und Damen sowie Business und Casual untergliedert. Diese wiedererlangte Klarheit sehen wir zusammen mit der hohen Internationalität (Exportquote >80 %) als tragfähiges Fundament für das künftige Wachstum an. Im ersten Halbjahr 2017 konnte der Umsatz schon wieder um 2 % gesteigert werden, das EBIT wurde mehr als verdoppelt, dem steht allerdings ein stolzes KGV von 23 gegenüber. Enttäuschend ist zudem der Rückgang der Online-Erlöse um 3 %, hier gilt es zu beobachten, ob die eingeleitete Digitaloffensive bald Früchte trägt.
Weitaus schlechter steht es um Gerry Weber, die Ostwestfalen verfügen weder über die hohe Internationalisierung, noch ...
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