BERLIN (Dow Jones)--Der Direktor des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, hält die unterschiedlichen Vorstellungen Deutschlands und Frankreichs für die Vertiefung der Eurozone für kompromissfähig. "Die Nationalstaaten müssen mehr Verantwortung für ihre Banken und ihre Finanzen übernehmen. Genauso wichtig sind Hilfen für Länder, die in Schieflage geraten", sagte Fratzscher im Gespräch mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.
Der Wirtschaftsprofessor spielt damit darauf an, dass die bestehenden Regeln für die Haushaltsdisziplin der EU-Länder eingehalten werden müssten, was eine maßgebliche Position Deutschlands ist. Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron will hingegen die Eurozone zu einer echten Währungsunion umbauen, sie mit eigenem Finanzminister und eigenem Haushalt ausstatten.
Bei seiner Rede im EU-Parlament warb Macron am Dienstag noch einmal mit Verve für seine hochfliegenden Pläne. In Deutschland werden sie in den Reihen von Union, FDP und AfD äußerst skeptisch gesehen. Macron plädiert außerdem für den Aufbau eines Europäischen Währungsfonds (EWF) aus dem bestehenden Rettungsfonds ESM heraus.
Fratzscher betrachtet es als Aufgabe des EWF, als Schlechtwetterfonds für in Not geratene Staaten mit Geldern über die Krise zu helfen, um die Verschuldung durch explodierende Sozialkosten und sinkende Einnahmen abzufedern. In den USA können Bundesstaaten in schweren Abschwüngen auf solche Mittel zurückgreifen.
Das von CDU und CSU verlangte Mitspracherecht des Bundestags bei den Entscheidungen der Notkasse hält der DIW-Chef für nicht praktikabel. "Denn wenn ein Land wie - nehmen wir mal - Italien ernsthaft in Schwierigkeiten geraten und von Spekulanten attackiert würde, hätten auch wir ansonsten einen hohen Preis zu zahlen", meinte der Ökonom. Schnelle Hilfe sei auch im Interesse Deutschlands, um eine Ausweitung der Krise einzudämmen.
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April 18, 2018 02:50 ET (06:50 GMT)
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