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Im Fokus: Brexit - eine Zwischenbilanz

Beim EU-Gipfeltreffen am 14./15. Dezember wurde die erste Verhandlungsphase der Brexitgespräche offiziell abgeschlossen. Fortschritte konnten bei den Austrittszahlungen und den Rechten der in Großbritannien lebenden EU-Bürger sowie der in der EU lebenden Briten erreicht werden. Doch insbesondere die Grenzregelung Nordirlands bedarf noch viel Ausarbeitung. Premierministerin Theresa May muss sich nicht nur dem Widerstand der Opposition stellen, sondern auch dem der eigenen Parteimitglieder, wie die Niederlage bei der Abstimmung zum Withdrawal Bill am Mittwoch (13.12.) deutlich machte. Die Wirtschaftsdaten Großbritanniens zeigen, dass der schwache Sterling und eine gute Weltkonjunktur profitabel für exportorientierte britische Unternehmen sind. Doch die BIP-Daten von 2017 und die Prognosen des Office of Budget Responsibility sagen ein Abschwächen dieser positiven Konjunktur voraus. Der Weg bis zum Abschluss der Verhandlungen wird steinig werden. Ein Erfolg der Verhandlungen ist alles andere als garantiert.

Abschluss der ersten Verhandlungsphase

Nach sechs Verhandlungsrunden wurde beim EU-Gipfel am 14./15. Dezember endlich die erste Verhandlungsphase des EU-Austritts Großbritanniens abgeschlossen. Fast schien es, als würde die Frist Anfang Dezember trotz des Optimismus auf EU- und UKSeite ohne Ergebnisse verstreichen. Kurz vor der bevorstehenden Einigung machte die nordirische Democratic Unionist Party (DUP) der Premierministerin (Theresa May) einen Strich durch die Rechnung. Sie lehnte das Abkommen wegen einer Abgrenzung Nordirlands zu Großbritannien strikt ab. Doch in letzter Minute reichte May einen revidierten Entwurf ein, dem die EU beim Gipfeltreffen letzte Woche offiziell zustimmte.

Ergebnisse des Austrittsabkommens

Das Abkommen liefert das Grundgerüst für den EU-Austritt zu den Themen Austrittszahlungen, Bürgerrechte und Grenzregelung Nordirlands. Hier eine Bilanz der ersten Phase:

- Austrittszahlungen: Bereits Mitte November konnten sich May und ihr Unterhausauschuss auf eine Anhebung der Austrittszahlungen auf 35-39 Mrd. Pfund einigen. Die genaue Höhe des Betrages hängt von Faktoren wie dem Wechselkurs, Zinszahlungen und den Anteilen Großbritanniens an europäischen Anlagen ab.

- Bürgerrechte: Die Rechte der bis zum Austrittsdatum (29. März 2019) im Vereinigten Königreich lebenden EU-Bürger und der in der EU lebenden Briten werden durch das Abkommen gesichert. Der Europäische Rat möchte statt dieses Datums das Ende der Übergangsphase - voraussichtlich zwei Jahre nach dem Austritt - festlegen. Bei der Rolle des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) wurde auf beiden Seiten ein Kompromiss eingegangen. Großbritannien willigte ein, das Fallrecht des EuGH zu berücksichtigen und kann sich im Laufe der nächsten acht Jahre für Interpretationshilfe der Bürgerrechte an den EuGH wenden. Falls die Hilfe des EuGH eingeholt wird, ist die britische Seite dazu verpflichtet, den Ergebnissen Folge zu leisten. Diese Einflussmöglichkeit des EuGH ist vielen ein Dorn im Auge, die sich mit dem Brexit von jeglichen europäischen Institutionen lösen wollten. Auch bleiben noch viele Details zu klären, weshalb das Abkommen von den Interessensvertretern der EUund UK-Bürger kritisiert wird.

- Grenze zu Nordirland: Die Einigung bei der Grenzfrage kam vor allem dank schwammiger Formulierungen zustande. Denn Großbritannien sicherte nur zu, das Karfreitag-Abkommen von 1998, die Kooperation zwischen dem Norden und Süden sowie die Wirtschaft der Insel zu schützen. Doch wie letzten Endes die Grenze geregelt werden soll, steht noch offen. Die nordirische DUP erhofft sich, das Problem der Zoll- und Grenzkontrollen mit moderner Technologie zu umgehen. Doch wie und ob das bei einem Verkehrs- und Personenfluss von ca. 177.000 LKW, 208.000 Lieferwagen und 1,85 Mio. Autos monatlich und 23.000 Personen täglich möglich ist, ist noch unklar. Eine offene Grenze ist für die Wirtschaft der irischen Insel von großer Bedeutung, denn der Anteil von Waren- und Dienstleistungsexporten, der 2015 von Nordirland in die Republik Irland floss, betrug 15 % und machte die Republik zum zweitgrößten Exportmarkt. Umgekehrt waren es zwar nur 1,6 %, doch die Exporte der Republik in das Vereinigte Königreich lagen immerhin bei 13,8 %. Die wohl einfachste Lösung wäre ein Einlenken der Brexit-Hardliner und ein Verbleib des Vereinigten Königreiches in der Zollunion, wodurch Zollkontrollen auf der irischen Insel überflüssig wären. Doch dies wird von den Brexit- Befürwortern abgelehnt, da sich Großbritannien dann weiterhin an EURichtlinien halten müsste. Alternativ wird auch über einen Sonderstatus Nordirlands diskutiert, wo dieser Teil des Vereinigten Königreiches im EUBinnenmarkt verbliebe. Dies wird von britischen Nationalisten und der DUP strikt abgelehnt, weil sie die Einheit Großbritanniens in Gefahr sehen und Schottland und Wales ähnliche Ansprüche anmelden könnten.

Kritik erntete das Abkommen, weil es noch viel Interpretationsspielraum bietet und detaillierterer Ausarbeitung bedarf. Zusätzlich werden von einigen Regierungsmitgliedern einzelne Punkte, auf die man sich mit der EU geeinigt hatte, in Frage gestellt. Auch die Formulierung im Abkommen, dass die Einigungen unter Vorbehalt getroffen worden seien ("nothing is agreed until everything is agreed"), lässt an der Verbindlichkeit zweifeln. Zwar ist es für beide Seiten nicht wünschenswert das Abkommen aufzuheben, doch es wäre theoretisch möglich.

Der noch große Ausarbeitungsbedarf sowie der bisherige Verlauf der Verhandlungen lassen erahnen, dass die zweite Phase, in der die Implementierung der Übergangsphase und die zukünftigen Handelsbeziehungen geklärt werden sollen, noch viel schwieriger sein wird als die erste.

Instabilität der britischen Regierung

Seit der Wahlniederlage der Konservativen Partei bei den vorgezogenen Neuwahlen im Juni 2017 ist Mays Regierung zunehmend von partei- und regierungsinternen Machtkämpfen gefährdet. Mit ihren 316 von insgesamt 650 Sitzen verfehlte sie die Gesamtmehrheit im Unterhaus (326). Um dennoch als Minderheitsregierung regieren zu können, wird sie von der europakritischen nordirischen DUP toleriert, d.h. sie haben eingewilligt, die Tories mit ihren zehn Stimmen im Falle eines Misstrauensvotums und bei Absegnung von Gesetzgebungen bezüglich des EU-Austritts zu unterstützen. Betrachtet man nur die Minister, die tatsächlich auch an Abstimmungen teilnehmen (also abzüglich des nordirischen Sinn Féin, dem Sprecher und der Vizesprecher) kommt Mays Regierung auf eine arbeitende Mehrheit von 13 Stimmen (326 Tories und DUP/ 313 Rest). Doch wegen der starken Fragmentierung innerhalb der Partei gestaltet es sich schwierig, Gesetze durchzubringen, wie der Boykott des so genannten Withdrawal Bills (EUAusstiegsgesetz) letzte Woche zeigte.

Rebellion der Tories

Am Mittwoch (13.12.) erlitt May ihre erste Niederlage im Unterhaus bei der Abstimmung zum Withdrawal Bill. Das Gesetz, welches EU-Gesetze in das britische Recht übertragen soll, geriet in heftige Kritik, da es der Regierung ermöglicht, ohne Mitsprache des Parlaments Gesetzesänderungen vorzunehmen. Wegen dieser Verordnungsermächtigung boykottierten die Labourpartei, die Scottish National Party, Plaid Cymru und elf abtrünnige Tories die Abstimmung und verlangten Mitsprache bei Gesetzesänderungen. Somit scheiterte der Gesetzesentwurf in der dritten Abstimmung mit knapp 309 zu 305 Stimmen und führte zur Entlassung des konservativen Vizevorsitzenden Stephen Hammond, der sich mit der Opposition verbündet hatte. In einem Versuch diese Kritiker zu beruhigen hatte David Davis, der für den Brexit zuständige Minister, Mitte November verkündet, den finalen Brexit-Deal vom Parlament mit einer Ja/Nein- Abstimmung absegnen zu lassen. Doch diese pro-forma-Einbeziehung des Unterhauses reichte den Widerständlern nicht, denn die Regierung müsste sich der Änderungswünsche nicht zwingend annehmen, sodass die einzige Alternative ein Austritt ohne Abkommen wäre. Und das ist wohl die schlechteste Option, die man den Gegnern eines harten Brexits bieten kann.

Sollte das Parlament diesen Machtkampf mit der Regierung für sich entscheiden und das Ausstiegsgesetz entsprechend ergänzt werden, könnten die Abgeordneten mit dem erweiterten Mitspracherecht Forderungen an die Regierung stellen, die die Austrittsverhandlungen verkomplizieren und in die Länge ziehen könnten.

Schon vorher war May wegen des Withdrawal Bills kritisiert worden, da sie das Austrittsdatum Großbritanniens aus der EU darin gesetzlich festhalten will. Mit diesem Versuch, den Brexit-Hardlinern entgegenzukommen, verärgerte sie jedoch Brexit-Gegner bzw. Soft-Brexit-Befürworter innerhalb der Regierung, welche sich dadurch unnötig der Flexibilität beraubt sahen die Verhandlungsgespräche notfalls zu verlängern. Immerhin wäre dies theoretisch möglich, falls alle 27 EU-Mitgliedsstaaten zustimmen. Am kommenden Mittwoch (20.12.) soll über diesen Passus abgestimmt werden und es droht eine erneute Rebellion des Parlaments.

Gefährdung der Premierministerin aus den eigenen Reihen

Die Rückendeckung der DUP ist für May auch in Anbetracht der wiederholten Versuche, sie mit einem Misstrauensvotum zu entmachten, unverzichtbar. Mitte November lag die Zahl der Tory-Abgeordneten, die einen Rücktritt Mays forderten, bereits bei 40 - das sind nur acht weniger als für die Veranlassung eines Misstrauensvotums notwendig wären (15 % der konservativen Abgeordneten). Im Falle eines parteiinternen Machtwechsels kämen als Nachfolger Brexitminister David Davis, Außenminister Boris Johnson und der Minister für Internationalen Handel Liam Fox in Frage - und dies könnte zu einem härteren Brexitkurs führen könnte, da Johnson und Fox den Hard-Brexiteers angehören.

Labourpartei wittert Chance auf Machtwechsel

Auch die Opposition der Labourpartei unter Jeremy Corbyn, die mit 259 Sitzen die zweitstärkste Partei im Unterhaus ist, steht bereits in den Startlöchern und sucht sich Verbündete unter den EU-Befürwortern der Regierungspartei. Durch Blockierung wichtiger Beschlüsse im Parlament (z. B. die Queen's Speech oder die Verhinderung einer Versorgungsabschaltung) könnten sie mit einer Zweidrittelmehrheit Neuwahlen veranlassen.

Ein Machtwechsel hin zu einer Labourregierung würde auf einen weicheren Brexit hindeuten. Die Labourpartei spricht sie sich für den Verbleib im EU-Binnenmarkt und für eine Zollunion während einer mehrjährigen Übergangsphase nach dem formalen Austritt im März 2019 aus. In dieser Zeit würde Großbritannien weiterhin in die EU-Kassen einzahlen und die Personenfreizügigkeit für diesen Zeitraum gewähren. Diese Kompromisse lehnt die konservative Regierung ab. Doch trotz dieser eindeutigen Abgrenzung ist nicht eindeutig, welche Auswirkungen ein Machtwechsel hätte. Denn innerhalb der Labourpartei ist die "Labour Leave"-Front, die für einen harten Brexit plädiert, stark vertreten. Immerhin haben sieben von zehn Labour-Wahlkreisen für den Austritt gestimmt. Beruhigen dürfte May, dass die Androhung von Neuwahlen in der Vergan genheit nur selten umgesetzt worden ist (zuletzt 1979). Denn oftmals wird befürchtet, dass die regierende Partei in Anbetracht des Machtverlusts sich innerlich festigt.

Dass die Regierung wegen verschiedener Skandale ihrer Minister und den daraus resultierenden Rücktritten (bislang waren es zwei) zusätzlich geschwächt ist, macht sie noch angreifbarer. Die zunehmende Wahrscheinlichkeit eines Regierungswechsels unterminiert die Verhandlungsposition Großbritanniens gegenüber der EU. Die EU könnte nämlich zu weniger Zugeständnissen bereit sein, wenn ein Regierungswechsel bevorsteht oder die Tage der Premierministerin gezählt sind.

Die Wirtschaft profitiert (noch) vom schwachen Pfund

Noch scheinen die britischen Unternehmen von dem schwachen Pfund zu profitieren. So stieg der Leitindex FTSE100 seit dem Austrittsreferendum im Juni 2016 um 23 % an. Das ist nicht verwunderlich, denn immerhin erwirtschaften die Unternehmen im FTSE100 rund 60 % ihrer Gewinne im Ausland. Durch die Abwertung werden zum einen ihre Produkte für den ausländischen Markt günstiger und wettbewerbsfähiger, zum anderen steigen ihre Gewinne, wenn die Unternehmen ihre Produkte in Fremdwährung verkaufen, da sie in Pfund transferiert an Wert gewinnen. Auch die PMI-Daten für das Verarbeitende Gewerbe dokumentieren diese gute Stimmungslage. Diese lagen im Oktober bei 56,6 und im November sogar bei 58,2. Ob dies anhalten wird ist jedoch fraglich. Zwar erwarten wir für das kommende Jahr zunächst eine weitere Abwertung des Pfundes, doch zunehmende Unsicherheiten für die Unternehmen in Großbritannien werden den Effekt der gestiegenen Exporte wieder ausgleichen.

So wurden Pläne für den Stellenabbau im Finanzsektor bereits bekannt gegeben: Barclays PLC und UBS Group AG planen Arbeitsplätze in London zu streichen und auch die Deutsche Bank wird ca. 4.000 Stellen nach Deutschland holen. Schnelle Ergebnisse der zweiten Verhandlungsphase können den Unternehmen wieder Sicherheit geben und dieser Entwicklung entgegenwirken.

Enttäuschende BIP-Prognose des OBR

Die BIP-Prognose des Office of Budget Responsibility (OBR) schien diese Stimmung aufzugreifen. So liegen die BIP-Wachstumszahlen für das dritte Quartal 2017 mit 0,4 % unter dem Wachstum der Eurozone von 0,6 %. Die Schätzungen für das jährliche BIPWachstum des OBR liegen über den gesamten Prognosehorizont hinweg bei unter 1,5 % (YoY, real, Preisniveau des Vorjahres), mit einem Rückgang auf bis zu 1,3 % für 2019-20 und 2020-21. Das ist die schlechteste Prognose seit der Einrichtung der Schatzkammer in 2010 und wird vom OBR auf das langsame Wachstum von Löhnen und einem Mangel an Investitionen zurückgeführt.


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