FRANKFURT (Dow Jones)--EZB-Ratsmitglied Ardo Hansson ist besorgt, dass viele Euro-Staaten schlecht auf eine Zinswende im Euroraum vorbereitet sind. In einem Interview mit der Börsen-Zeitung warnte Hansson vor einer "Zombifizierung" der Regierungen. Zugleich machte der Zentralbankchef Estlands sehr deutlich, dass die Europäische Zentralbank (EZB) bei der begonnenen Normalisierung ihrer ultralockeren Geldpolitik keine Rücksicht auf einzelne Länder nehmen könne.
Einen zu späten Ausstieg stufte er als "gefährlich" ein. Wenn sich Wachstum und Inflation wie vorhergesagt entwickeln, sollte die EZB nach Einschätzung Hanssons nach September mit den Anleihekäufen aufhören - und zwar sofort, ohne ein Auslaufen.
Hansson kritisierte, dass viele Regierungen im Euroraum die Gunst der ultralockeren Geldpolitik nicht genutzt hätten, um ihre Verschuldung abzubauen, und von dauerhaft niedrigen Zinskosten ausgingen. "Viele Staaten sind schlecht vorbereitet. Wenn die Zinsen wieder steigen, kann das zu einem bösen Erwachen führen", sagte Hansson. Die EZB könne und werde ihre Politik aber nicht an einzelnen Ländern ausrichten. In dem Kontext sagte er: "Mich sorgt die 'Zombifizierung' der Regierungen mehr als die 'Zombifizierung' der Unternehmen."
Hansson plädierte dafür, das Anleihekaufprogramm nach September 2018 zu beenden, falls es keine bösen Überraschungen gebe: "Wenn sich Wachstum und Inflation mehr oder weniger in Einklang mit den Projektionen entwickeln, wäre es sicher denkbar und auch angebracht, die Käufe nach September zu beenden. Warum nicht?"
Er erinnerte daran, dass die Inflation im Euroraum laut den aktuellen EZB-Projektionen bis Ende 2020 auf 1,8 Prozent klettere. Die EZB strebt mittelfristig unter, aber nahe 2 Prozent an. Die EZB brauche dann auch kein Tapering der Käufe von aktuell 30 Milliarden Euro pro Monat. "Der letzte Schritt auf null ist keine große Sache mehr. Ich denke, wir können ohne Probleme in einem Schritt auf null gehen."
Die jüngste neuerliche Stärke des Euro spielte Hansson mit Blick auf die Folgen für den EZB-Kurs herunter. "Die Stärke des Euro ist zuallererst ein Ergebnis der Stärke der Euro-Wirtschaft", sagte er. Bislang stelle sie "keine Gefahr für den Inflationsausblick" dar: "Das sollte man nicht überdramatisieren." Er warnte vielmehr davor, die geldpolitische Wende zu langsam anzugehen. "Es wäre gefährlich, wenn wir 'hinter die Kurve' fallen würden." Dann könne die EZB später gezwungen sein, plötzlich und zügig umzusteuern - mit negativen Konsequenzen. Zudem nehme die Gefahr von Blasen mit der Zeit zu.
Er betonte zudem, dass eine unverändert lockere Geldpolitik umso stimulierender wirke, je besser sich die Wirtschaft entwickle. "Die Tatsache, dass die Euro-Wirtschaft so gut läuft, spricht dafür, die geldpolitische Unterstützung allmählich zu drosseln."
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January 15, 2018 10:56 ET (15:56 GMT)
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