Von Todd Buell
FRANKFURT (Dow Jones)--Den zweiten Tag in Folge hat eine europäische Behörde die Angemessenheit der Praktiken der Europäischen Zentralbank (EZB) bemängelt und damit die Reihe der Kritiker vergrößert, die behaupten, die Zentralbank sei zu geheim über ihre Aktivitäten und zu nachlässig mit denjenigen, die sie beaufsichtigt.
Am Mittwoch erklärte der Europäische Ombusmann, ein Ermittler von Missständen in den EU-Institutionen, dass der EZB-Präsident Mario Draghi seine Mitgliedschaft in einer Elitegruppe globaler Finanzbeamter, der sogenannten G30, aussetzen solle. "Die Mitgliedschaft des EZB-Präsidenten in der G30 könnte in der Öffentlichkeit den Eindruck erwecken, dass die Unabhängigkeit der EZB gefährdet sein könnte", sagte die Europäische Bürgerbeauftragte Emily O'Reilly.
"Dass die EZB diese Wahrnehmung über mehrere Jahre hinweg zulässt, stellt einen Missstand in der Verwaltungstätigkeit ihrerseits dar. Die EZB sollte daher sicherstellen, dass der Präsident der EZB seine Mitgliedschaft für die verbleibende Dauer seiner Amtszeit aussetzt", sagte O'Reilly.
Ein EZB-Sprecher sagte, die Zentralbank habe "die Empfehlung des Bürgerbeauftragten zur Kenntnis genommen und werde zu gegebener Zeit reagieren". In einer schriftlichen Antwort an den Bürgerbeauftragten im vergangenen Jahr hatte die EZB erklärt, dass sie die Mitgliedschaft von Draghi in der G30 angesichts ihrer eigenen Schutzvorkehrungen zur Verhinderung der Verbreitung sensibler Informationen für angemessen halte.
"Die EZB ist der Ansicht, dass die Mitgliedschaft des Präsidenten in der G30 und die Teilnahme anderer Vorstandsmitglieder an den G30-Veranstaltungen voll und ganz mit der Unabhängigkeit, dem Ruf und der Integrität der EZB vereinbar sind und dass dies vor allem keinen Interessenkonflikt mit sich bringt", schrieb sie.
Die G30 ist eine kleine, private Gruppe von Finanziers und Akademikern. Auf der Mitgliederliste stehen sowohl Spitzenbeamte internationaler Banken als auch aktuelle und ehemalige Zentralbanker. Die EZB ist seit Ende 2014 die führende Bankenaufsicht in der Eurozone.
Am Dienstag hatte der Europäische Rechnungshof hat der EZB eine größere Transparenz beim Umgang mit Banken nahegelegt, die in Schwierigkeiten stecken. In einem Bericht zur Effizient des Krisenmanagements der EZB wies der Rechnungshof darauf hin, dass es keine ausreichenden Arbeitsanweisungen für frühzeitige Interventionen im Krisenfall gebe und auch keine objektiven Kriterien dafür, ab wann sich eine Bank in einer Krise befinde.
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January 17, 2018 06:41 ET (11:41 GMT)
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