Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Der Vorsitzende des Bundestags-Verkehrsausschusses, Cem Özdemir (Grüne), hat von der Regierung verlangt, ihre Pläne zur Förderung eines kostenlosen Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) zu konkretisieren. Bisher wirke der vage formulierte Vorschlag auf ihn "eher wie eine vorschnell gezündete Blendgranate, um von der schlechten Luft in betroffenen Städten abzulenken", sagte er der Frankfurter Rundschau. Özdemir forderte die Regierung deshalb auf, "zu zeigen, ob sie es ernst meint und tatsächlich mehr dahinter steckt: "Die vielen Fragezeichen in puncto Durchführung und Finanzierung gehören aufgelöst, damit es nicht bei einem kurzen Lichtblitz bleibt."
Die Bundesregierung hatte die Idee in einem Brief an die EU-Kommission aufgeführt, in dem sie Vorschläge zur Senkung der Stickoxidemissionen in deutschen Städten machte, um eine Klage abzuwenden. Am Mittwoch sagte ein Sprecher des Umweltministeriums aber, mit der Idee habe die Regierung "quasi eben auch eine Diskussion angestoßen" und deutlich gemacht, dass sie bereit sei, den Gestaltungsspielraum der Kommunen zu erweitern. "Wie dann aber die genaue Unterstützung seitens der Bundesregierung aussieht, das muss man erst einmal erörtern und anschauen."
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter verlangte als Reaktion eine "echte Offensive" für den öffentlichen Nahverkehr. "Das heißt: Es braucht Geld. Wir fordern, jährlich 1 Milliarde Euro in den öffentlichen Nahverkehr zu investieren", sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ). Den Vorstoß nannte er einen "Alibi-Vorschlag", um die drohende Klage der Kommission wegen Luftverschmutzung in Deutschland abzuwenden. Der Bund habe "kein Ziel, keinen Plan und kein Geld".
Der Baden-Württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) betonte im ZDF-Morgenmagazin, die Menschen brauchten "einen guten ÖPNV, nicht unbedingt einen kostenlosen". Die Bundesregierung lasse in ihrem Schreiben den "einfachsten Vorschlag", nämlich eine blaue Plakette für emissionsarme Autos, einfach aus.
Die FDP wandte sich scharf gegen die Idee einer kostenlosen Nutzung des Nahverkehrs. "Handwerker aus Niedersachsen oder Bauern in Bayern sollen über ihre Steuer Beamten in der Großstadt den Transport bezahlen", sagte Parteichef Christian Lindner der NOZ. Nachdem man solche Ideen bislang nur von der Piratenpartei gekannt hätte, seien sie jetzt auch bei CDU und CSU angekommen. "Die Idee eines Gratis-ÖPNV ist nicht nur keine praktikable Problemlösung. Sie enthüllt auch viel von der gegenwärtigen Orientierungssuche der Unionsparteien", kritisierte Lindner.
(Mitarbeit: Stefan Lange)
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February 15, 2018 03:43 ET (08:43 GMT)
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