Kommentare und Einschätzungen zu den geldpolitischen Beschlüssen der EZB:
DIHK: Zinswende kommt
"Das Unausgesprochene markiert die Zinswende", kommentiert der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) die EZB-Sitzung. "Die Zinswende kommt und das ist richtig so", sagte Außenwirtschaftschef Volker Treier. Die Zeichen stünden derzeit auf eine beschleunigte Preisentwicklung, in Deutschland nicht zuletzt wegen der guten Arbeitsmarktsituation und der damit verbundenen Lohnzuwächse. Die Stimmung der Wirtschaft in Deutschland und Europa befinde sich gleichwohl auf historischen Höchstständen. "Der Ausstieg aus der Niedrigzinspolitik wird dem keinen Abbruch tun, bleibt die Geldpolitik doch weiterhin konjunkturstimulierend", meinte Treier. Allerdings steige im Zuge der Zinswende der Reformdruck auf die neue Bundesregierung.
NordLB: EZB hält an langfristig ausgelegten Normalisierungskurs fest
Die EZB hat etwas überraschend Anpassungen an der Wortwahl vorgenommen, meint NordLB-Experte Christian Lips. Der Easing Bias wurde fallengelassen. Die übrigen Formulierungen der Forward Guidance blieben aber unverändert. Damit bleibt die EZB auf ihrem langfristig angelegten Ausstiegspfad und emanzipiert sich zusehends von Marktbewegungen und mehr oder weniger bedenklichen politischen Entwicklungen. "Vielleicht wollte Draghi auch bewusst einen zu dovishen Auftritt nach den Wahlen in Italien um jeden Preis vermeiden. Es bleibt aber dabei, dass eine erste Zinserhöhung erst im Frühjahr 2019 wahrscheinlich ist."
Berenberg: EZB beschließt Verringerung von APP im Juni oder Juli
Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding erwartet, dass die Europäische Zentralbank (EZB) im Juni oder Juli eine Verringerung ihres Anleihekaufprogramms APP ab September ankündigen wird. Schmieding geht ferner davon aus, dass die EZB dann auch eine engere Verknüpfung von Zins-Guidance und Inflationsausblick herstellen wird. Im September wird die EZB laut Schmieding mitteilen, dass sie von Oktober bis Ende Dezember monatlich nur noch Wertpapiere für 15 Milliarden Euro kaufen wird. Am 13. Dezember werde sie ein Ende der Käufe für das Jahresende ankündigen. Für Juni 2019 rechnet Schmieding damit, dass die EZB den Hauptrefinanzierungssatz auf 0,25 und den Einlagensatz auf 0,00 Prozent anheben wird.
DZ Bank: EZB-Falken erringen Tagessieg
Die DZ Bank stuft die Streichung des Easing Bias zu den Anleihekäufen aus dem geldpolitischen Statement des Rats der Europäischen Zentralbank (EZB) als "Tagessieg für die EZB Falken" ein. "Die Währungshüter haben sich damit selbstbewusst gezeigt, ihren vorbereiteten Plan durchgezogen und nicht auf aktuelle Marktunsicherheiten wie Strafzölle, politische Unsicherheiten in Italien oder die jüngste Euro-Stärke reagiert", schreibt Jan Holthusen, Leiter des Fixed Income Research in einem Kommentar. Die Falken hätten dabei einen Tagessieg davongetragen, indem - entgegen aktuellen Marktspekulationen - die Forward Guidance weniger expansiv gestaltet worden sei.
Lampe: EZB streicht im April die Bindung von APP an Inflation
Das Bankhaus Lampe rechnet damit, dass der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) bei seiner Sitzung im April die Formulierung aus dem geldpolitischen Statement streichen wird, wonach die Anleihekäufe so lange fortgeführt werden sollen, bis der EZB-Rat eine nachhaltige Korrektur des Inflationspfads erkennt. "Da muss er irgend eine andere Formulierung finden, etwas weniger Verbindliches, das zeigen auch die aktuellen Inflationsprojektionen", sagte Chefvolkswirt Alexander Krüger. Krüger bezog sich auf die Inflationsprojektionen des EZB-Stabs, die zeigten, dass für 2020 weiterhin nicht mit einem Erreichen des Inflationsziels gerechnet werde.
DIW: EZB muss sich alle Optionen offen halten
Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, sieht kein baldiges Ende der expansiven Geldpolitik. "Die Europäische Zentralbank hält Kurs und setzt ihre expansive Geldpolitik fort", erklärte er. Die EZB müsse "sich alle Optionen offen halten". Die jüngsten Korrekturen an den Finanzmärkten, der stärkere Euro und die enttäuschend schwache Inflationsentwicklung im Euroraum ließen "nicht auf ein baldiges Ende der expansiven Geldpolitik schließen". Fratzscher sah "nun eine höhere Wahrscheinlichkeit, dass die Anleihekäufe nochmals verlängert werden, zumindest bis Ende 2018". Er erwartete, "dass die EZB maximal flexibel bleiben will und ihre Entscheidung über einen Ausstieg erst im Sommer treffen wird".
Bankenverband: Sehr kleine Trippelschritte der EZB
Der Bundesverband deutscher Banken hat reserviert auf die Beschlüsse der EZB reagiert. "Die EZB geht nur mit sehr kleinen Trippelschritten in Richtung Ausstieg aus der extrem expansiven Geldpolitik", erklärte Hauptgeschäftsführer Christian Ossig. Am Donnerstag habe sie sich von der Option verabschiedet, das Aufkaufprogramm gegebenenfalls wieder aufzustocken. "Als nächsten Schritt sollte sie nun bald klare Hinweise geben, dass das Aufkaufprogramm im Herbst dieses Jahres nicht mehr verlängert wird." Wichtig sei ferner, "dass nun auch das Ende der Negativzinsen kommunikativ vorbereitet wird".
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March 08, 2018 10:16 ET (15:16 GMT)
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