Die für dieses Jahr geplante Einführung einer europaweiten "schwarzen Liste" unsicherer Fluggesellschaften ist unter Luftfahrtexperten heftig umstritten. Um öffentlichen Druck auf Airlines mit Sicherheitsmängeln und deren Heimatländer ausüben zu können, sei die "schwarze Liste" zwar grundsätzlich gut, urteilten Vertreter der Luftfahrtindustrie am Mittwochabend auf einer Podiumsdiskussion am Frankfurter Flughafen. An vielen Stellen sei die von der EU Ende vergangenen Jahres auf den Weg gebrachte Verordnung jedoch "nicht zu Ende gedacht".
Die ungewöhnliche Häufung von fünf Flugzeugabstürzen mit fast 500 Toten im vergangenen halben Jahr hatte zunächst Frankreich und Belgien veranlasst, eine "schwarze Liste" mit unsicheren und aus dem Verkehr gezogenen Fluggesellschaften zu veröffentlichen. Die EU will nun eine einheitliche Aufstellung veröffentlichen - auch online. Unklar ist dabei nach wie vor, wie viele und welche Fluggesellschaften auf diese Weise gebrandmarkt werden sollen. Experten gehen von vielen afrikanischen Firmen aus.
TRANSPARENZ FÜR DEN PASSAGIER?
Auslöser für die Liste waren lange Diskussionen über Verbesserungen der Sicherheit angesichts des stetig wachsenden Luftverkehrs. Der Präsident des Luftfahrtbundesamtes LBA, Ulrich Schwierczinski sagte, die Liste könne nur einen Teil dazu beitragen. "Sie gibt dem Verbraucher an, welche Airlines keine Landeerlaubnis in bestimmten Staaten wie Deutschland haben. Aber sie gaukelt ihm auch vor, dass eine Airline, die nicht drauf steht, automatisch sicher sei."
Georg Fongern, Vizepräsident der internationalen Pilotenvereinigung IFALPA, kritisierte, dass eine Liste zu leicht zu Vergeltungsmaßnahmen gegen eine Fluggesellschaft verleite. Fongern, dessen Verband weltweit 120.000 Flugzeugführer vertritt, mahnte deshalb: Eine solche Aufstellung habe nur dann Sinn, wenn die Kriterien nicht schwammig seien. "Sie muss in die Tiefe gehen, sonst bringt sie nichts, sondern verunsichert nur." Fongern forderte daher generell "in der Hoch-Risiko-Industrie mehr als lediglich die Einhaltung von Mindeststandards".
Auf die Liste können nach heutigen Kriterien Gesellschaften unter anderem gelangen, wenn sie erkannte und angemahnte Mängel, beispielsweise bei der Instandhaltung, nicht korrigieren. Die Entscheidung, ob eine Airline in die Liste aufgenommen wird, sollen die Mitgliedstaaten auf Vorschlag der EU-Kommission treffen.
SICHERHEIT NICHT ZUM NULLTARIF
Eine neutralere Instanz forderte hingegen Martin Gaebges, Generalsekretär der Barig, einer Vertretung deutscher Fluggesellschaften. Zudem bezweifelte er die Relevanz einer "schwarzen Liste" für den Verbraucher: "Im Prinzip müsste es auch Listen für Länder, Flughäfen und Lufträume geben."
"In gewisser Weise ist jeder Passagier vielleicht mit verantwortlich dafür, dass es schwarze Schafe in der Branche gibt", sagte Ronald Schmid, Präsident der deutschen Gesellschaft für Reiserecht. Der Kunde wolle immer weniger fürs Fliegen bezahlen. Wegen des hohen Kostendrucks bei den Gesellschaften werde es auch in Zukunft schwarze Schafe geben.
Das sei aber keineswegs nur ein Problem der nach wie vor boomenden Billigflieger-Industrie, betonten die Experten einhellig. Billigflieger wüssten ganz genau, dass ein Unfall wegen Sicherheitsmängeln eine existenzielle Bedrohung für sie sein könne. Mit den Sonderangeboten und dem Preiskampf seien inzwischen ohnehin alle Fluggesellschaften irgendwie zu Billigfliegern geworden, sagte Pilotenvertreter Fongern. "In der Hoch-Risiko-Industrie Luftfahrt gibt es Sicherheit nicht zum Nulltarif - das müssen wir uns immer beim Kauf von 19-Euro-Tickets vor Augen halten."/aa/fd/zb
--- Von Andreas Albrecht, dpa-AFX ---
AXC0101 2006-03-02/11:04