Europas Konjunkturlokomotive Deutschland kommt nur noch im Schritttempo voran. Doch die Hoffnung wächst, dass die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr wieder Fahrt aufnimmt. Erstmals seit Mai hat sich die Stimmung der deutschen Unternehmen wieder aufgehellt. In der Industrie, im Handel und auf dem Bau liefen die Geschäfte wieder etwas besser. "Zudem blicken die Unternehmen deutlich weniger pessimistisch auf die weitere Geschäftsentwicklung", erklärte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn am Freitag in München.
Gerade einmal um 0,2 Prozent wuchs die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal gegenüber dem Vorquartal, wie das Statistische Bundesamt am Freitag erste Schätzungen bestätigte. Der Export und der Konsum im Inland verhinderten einen Absturz der deutschen Wirtschaft in der Euro-Schuldenkrise.
Nach einem starken Jahresauftakt 2012 schwächte sich das Wirtschaftswachstum in Deutschland von Quartal zu Quartal ab. Zum Jahresende erwarten Experten bestenfalls Stagnation. Dennoch steht Deutschland besser da als der Euro-Raum insgesamt, der von Juli bis September in die Rezession rutschte.
Konjunkturtreiber waren hierzulande der Außenhandel, der Bau sowie der private (plus 0,3 Prozent) und staatliche (plus 0,4 Prozent) Konsum. Die Unternehmen exportierten 1,4 Prozent mehr Waren und Dienstleistungen als im Vorquartal. Da die Importe nur um 1,0 Prozent zulegten, trug der Außenhandel insgesamt zum Wachstum bei. Auch von dem anhaltenden Boom am Bau kamen Impulse. Die Investitionen in Bauten stiegen um 1,5 Prozent.
Aus Unsicherheit über die ungelöste Euro-Schuldenkrise hielten die Unternehmen sich dagegen weiter mit Investitionen in Ausrüstungen wie Maschinen und Fahrzeuge zurück (minus 2,0 Prozent). Der negative Trend hält damit nun seit einem Jahr an.
Wie schnell die deutsche Wirtschaft wieder an Fahrt gewinnt, ist derzeit schwer abzusehen. "Die Zuversicht, dass sich die Konjunktur kurzfristig beleben könnte, geht in immer mehr Bereichen der Wirtschaft verloren", schrieb die Deutsche Bundesbank kürzlich in ihrem Monatsbericht. Ein Absturz in eine Rezession wird aber nicht erwartet.
Nach dem überraschenden Anstieg des Ifo-Geschäftsklimaindexes im
November wächst vielmehr die Hoffnung, "dass die deutsche Wirtschaft
sich in den kommenden Monaten - nach einem wohl schwachen vierten
Quartal - wieder stabilisieren wird", erklärte Commerzbank
Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe mahnte mit Blick auf die Eurozone und ein mögliches Sparprogramm in den USA zu Vorsicht. Der weitere Trend sei unklar. Die Ifo-Umfrage zeige eine durchschnittliche Geschäftslage und negative Erwartungen - wenn auch jetzt "nicht mehr so pessimistisch".
In der Industrie verbesserten sich Geschäftslage und Auftragseingang leicht. Die Exporterwartungen legten kräftig zu. Vor allem aus China seien positive Impulse gekommen, die Sorge vor einem Einbruch dort sei weg, erklärte Ifo-Außenhandelsexperte Christian Grimme. Im Inland kommen Impulse vor allem von Konsum und Wohnungsbau.
Im Jahresvergleich wuchs die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal um 0,4 Prozent. Allerdings gab es in diesem Jahr einen Arbeitstag weniger. Bereinigt um diesen Effekt lag der Zuwachs bei 0,9 Prozent. Die Zahl der Erwerbstätigen legte von Juli bis September um 0,9 Prozent auf 41,7 Millionen zu.
Für das Gesamtjahr rechnen die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinst itute mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von 0,8 Prozent. 2011 war die deutsche Wirtschaft noch um drei Prozent gewachsen./mar/DP/hbr
ISIN DE0008032004
AXC0203 2012-11-23/16:15