Von Hendrik Varnholt
DÜSSELDORF--Die deutsche Stahlindustrie fürchtet angesichts steigender Kosten für die Energiewende um ihre Existenz. Darauf haben Branchenvertreter zu Beginn der Handelsblatt-Jahrestagung Stahl am Dienstag in Düsseldorf hingewiesen. Der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, etwa warnte eindringlich davor, die Strompreisentlastungen für energieintensive Unternehmen abzuschaffen. Ohne die Ausnahmen von der Erneuerbare-Energien-Umlage sei "eine international wettbewerbsfähige Produktion nicht denkbar", sagte er. Es sei deshalb "überhaupt nicht nachvollziehbar", dass die Europäische Kommission an der Zulässigkeit der Regelungen zweifele.
Die Kosten für die Energiewende treffen die deutschen Stahlunternehmen in einer Zeit der Branchenkrise: Sie leiden unter Überkapazitäten in Europa. Im vergangenen Jahr haben die deutschen Stahlhersteller vor dem Hintergrund nur noch 42,6 Millionen Tonnen Rohstahl produziert. Ein Jahr zuvor hatte die Rohstahlproduktion noch bei 42,7 Millionen Tonnen gelegen. Die deutsche Stahlindustrie befinde sich "in einer konjunkturell und strukturell schwierigen Situation", sagte Branchenpräsident Kerkhoff am Dienstag. Grund dafür seien auch schrumpfende Absatzpreise bei weiter "relativ hohen Rohstoffkosten".
Für das angefangene Jahr gab sich Kerkhoff gleichwohl abermals "vorsichtig optimistisch". Die globale Konjunkturerholung vor allem in den Industrieländern spreche für Verbesserungen, sagte er. Kerkhoff prognostizierte vor dem Hintergrund einen leichten Anstieg der Rohstahlproduktion in Deutschland auf rund 43,0 Millionen Tonnen. Die Branchenentwicklung im Januar bestätigt die Prognose: In dem Monat nahm die Rohstahlerzeugung in Deutschland nach den Angaben der Wirtschaftsvereinigung Stahl im Vergleich zum Vorjahresmonat um rund 2,2 Prozent auf etwa 3,7 Millionen Tonnen zu. Erste Daten sprächen zudem für Verbesserungen beim Auftragseingang zu Beginn dieses Jahres, berichtete der Branchenverband.
Kerkhoff bezeichnete die Erholung in der Branche allerdings als "fragil". Es ändere sich in der europäischen Stahlindustrie in nächster Zeit "wenig an dem eklatanten Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage", sagte er.
Während der Jahrestagung Stahl geriet deshalb die Sorge vor zusätzlichen Belastungen zum Hauptthema. Kerkhoff warnte vor "Rissen" im Bekenntnis zur energieintensiven Industrie in Deutschland. Allein die von der Bundesregierung geplante Belastung von selbst erzeugtem Strom führe in der Stahlindustrie zu Mehrkosten von jährlich rund 100 Millionen Euro. Die Erzeuger Erneuerbarer Energien genössen "einen selbsverständlichen Vertrauensschutz", sagte Kerkhoff. Der Industrie, die effizient Strom für den Eigenverbrauch erzeuge, werde dieser aber verwehrt.
Viele Unternehmen der Branchen nutzen die bei der Stahlherstellung entstehenden Gase zur Stromerzeugung. Dies sei bei der Einführung von Abgaben auf den Eigenstrom "so nicht wirtschaftlich", sagte etwa der Chef des europäischen Stahlgeschäfts von ThyssenKrupp, Andreas Goss. Die Eckpunkte für eine Energiewendereform seien auch vor dem Hintergrund "nicht das positive Signal von der Politik", auf das die Branche gehofft habe.
Die von der Europäischen Kommission in Frage gestellten Strompreisentlastungen für Energie-Großverbraucher beschrieb Goss gar als existenziell wichtig für ThyssenKrupps europäische Stahlwerke. Ohne die Ausnahmeregeln drohe eine Situation, in der dem Konzern die Entscheidung über die Zukunft der deutschen Stahlwerke "abgenommen" werde. Goss stellte zwar in Aussicht, dass ThyssenKrupps europäische Stahlsparte bald wieder ihre Kapitalkosten erwirtschaften werde. Höhere Stromkosten aber könnten dies nach seiner Darstellung zunichte machen: Hätte ThyssenKrupp die volle EEG-Umlage zu zahlen, würden die Abgaben das gesamte Ergebnis vor Zinsen und Steuern der Sparte Steel Europe aufzehren, warnte der Manager. Er forderte deshalb "Planungssicherheit in der Energie- und Klimapolitik". Von den anstehenden Entscheidungen hänge "nicht weniger ab als die Sicherung des Wohlstands unserer Volkswirtschaft".
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February 11, 2014 06:59 ET (11:59 GMT)
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