Von Christine Benders-Rüger
In dem Strafverfahren gegen ehemalige Vorstandsmitglieder der HSH-Nordbank hat die Wirtschaftskammer des Hamburger Landgerichtes die Angeklagten freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte den sechs ehemaligen Vorständen der HSH Nordbank Untreue in einem besonders schweren Fall und in zwei Fällen Bilanzfälschung vorgeworfen. Damit wurde erstmals ein spekulatives Finanzgeschäft einer deutschen Bank während der Finanzkrise vor einem Strafgericht verhandelt.
Angeklagt waren Ex-Bankchef Jens Dirk Nonnenmacher, Ex-Finanzvorstand Jochen Friedrich sowie Peter Rieck, Hartmut Strauß, Bernhard Visker und Nonnenmachers Vorgänger Hans Berger. Ihnen wurde zur Last gelegt, als Mitglieder des Gremiums im Dezember 2007 die komplexe Finanztransaktion "Omega 55" genehmigt zu haben, obwohl ihnen anhand der vorliegenden Kreditdokumente eine umfassende Abwägung von Chancen und Risiken des Geschäfts nicht möglich gewesen sei. Außerdem wurde Nonnenmacher und Friedrich Bilanzfälschung vorgeworfen.
Die Staatsanwaltschaft hatte Bewährungsstrafen bis zu 22 Monaten und Geldbußen bis zu 150.000 Euro gefordert. Sie kann gegen das Urteil Revision beim Bundesgerichtshof einlegen. Die früheren Vorstände hatten die Vorwürfe stets zurückgewiesen.
Der Prozess dauerte knapp ein Jahr. Dreh und Angelpunkt war die Frage, wie weit die Verantwortung der Vorstände reicht und ob sie mit Vorsatz fremdes Vermögen veruntreut und grob pflichtwidrig gehandelt haben. Für den Vorsitzenden Richter Marc Tully ging es darum festzustellen, was 2007 bei dem sogenannten Omega 55-Geschäft geschah. Die Bankmanager hatten mit ihrer Unterschrift die riskanten Geschäfte gebilligt, die der Bank am Ende Verluste von 160 Millionen Euro beschert hatten.
In seiner mündlichen Urteilsbegründung sagte Tully, dass die Angeklagten bei der Genehmigung der Transaktion zwar ihre Pflichten als Vorstände verletzt hätten. Diese Pflichtverletzungen seien aber nicht so evident gewesen seien, dass sie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Verurteilung wegen Untreue rechtfertigten.
Das Bundesverfassungsgericht hatte in einer richtungsweisenden Entscheidung 2010 Untreue auf Fälle klar und deutlich pflichtwidrigen Handelns beschränkt. Der Bundesgerichtshof hatte im Anschluss daran in mehreren Entscheidungen die Verurteilung auf Fälle "gravierender" Pflichtverletzungen eingegrenzt.
Hinter Omega 55 verbarg sich eine Transaktion, mit der die Landesbank kurzfristig ihre Eigenkapitalausstattung aufbessern wollte. Sie wollte dadurch gute Ratings mit Blick auf den damals geplanten Börsengang bekommen. Dafür sollten Risiken aus Immobilienkrediten ausgelagert werden, um zu vermeiden, die Finanzierungen mit Eigenkapital unterlegen und im Falle eines Ausfalls selbst haften zu müssen. Das Gericht wollte unter anderem prüfen, ob die vor der Finanzkrise 2007 eingesetzten Risiko- und Bewertungsstandards zum Zeitpunkt der Transaktion noch anwendbar waren oder ob man andere Mechanismen hätte einsetzen müssen.
Partner der HSH Nordbank bei der Transaktion war die französischen Bank BNP Paribas. Allerdings bestanden die Franzosen auf ein Gegengeschäft. Ausfallrisiken aus Immobilienkrediten der HSH wollten sie nur übernehmen, wenn die Hamburger im Gegenzug für die Liquidität eines Investmentvehikels garantierten. Diese Zweckgesellschaft hatte einen Nominalwert von 400 Millionen Euro, ihr Portfolio bestand aus hoch komplexen Papieren. Im Eilverfahren hatten alle angeklagten Vorstände das Geschäft kurz vor Jahresende 2007 abgesegnet.
Später wurde klar: Das Portfolio beinhaltete neben den Immobilienkrediten auch Titel der US-Investmentbank Lehman Brothers sowie von isländischen Geldhäusern. Lehman meldete 2008 Insolvenz an, was auch die HSH ins Straucheln brachte. Die Landesbank musste von den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein mit Finanzspritzen über 3 Milliarden Euro und einem Garantierahmen von 10 Milliarden Euro vor dem Untergang gerettet werden.
Zwei der Angeklagten (Dirk Jens Nonnenmacher und Joachim Friedrich) wurden zudem der Bilanzfälschung für nicht schuldig befunden. Die Staatsanwaltschaft hatte ihnen vorgeworfen, in dem Quartalsbericht für den HSH-Konzern zum 31. März 2008 und in einer Pressemitteilung vom 20. Juni 2008 einen Überschuss von 81 Millionen Euro ausgewiesen zu haben, obwohl tatsächlich ein Fehlbetrag von 31 Millionen Euro entstanden sei.
Das Landgericht erklärte dazu: "Die Abweichung habe sich aber angesichts des Gesamtumfangs der von der HSH Nordbank betriebenen Geschäfte mit einem Volumen von etwa 2,5 Milliarden Euro als von untergeordneter Bedeutung erwiesen". Da für eine Verurteilung eine "erhebliche Abweichung der fehlerhaften Darstellung von den zutreffenden Verhältnissen" erforderlich sei, seien die Angeklagten in diesem Punkt freigesprochen worden.
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July 09, 2014 06:28 ET (10:28 GMT)
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