Der nächste Rückzug eines Konzernlenkers kommt
am Dienstag bei den Anlegern von Thyssenkrupp
Mit dem Abgang von Lehner rutscht der Stahl- und Industriekonzern zwar immer tiefer in eine Führungskrise, nachdem kürzlich schon Konzernchef Heinrich Hiesinger zurückgetreten war. Börsianern zufolge hoffen Anleger nun aber darauf, dass dadurch der Weg für eine tiefergehende Restrukturierung frei wird. Wie es heißt, werde der Druck von Investorenseite immer größer, nach der Auslagerung der Stahlsparte in ein Gemeinschaftsunternehmen mit der indischen Tata weitere Werte freizusetzen, die in dem Konzern schlummern.
Ein Händler mutmaßte, dass alleine die Aufzugsparte mehr Wert sei
als die aktuelle Marktkapitalisierung von Thyssenkrupp. Derzeit
beträgt diese etwas mehr als 13 Milliarden Euro, womit die Aktie im
Dax allenfalls ein Mitläufer ist. Unter den 30 Indexmitgliedern sind
derzeit lediglich die Commerzbank
Der Rücktritt von Lehner sei Wasser auf die Mühlen derer, die unter einer neuen Konzernführung auf mehr Offenheit gegenüber Anteilsverkäufen setzen, schrieb Commerzbank-Analyst Ingo-Martin Schachel am Morgen in einer ersten Reaktion. Er verwies darauf, dass Lehner die diversifizierte Konzernstruktur bis zuletzt verteidigte, während Großaktionäre wie die aktivistischen Investoren Cevian oder Elliott auf eine Aufspaltung drängen.
Dritter im Bunde könnte dabei die Krupp Stiftung sein. In Medienberichten hieß es zuletzt, dass Vertreter der Stiftung womöglich schon länger mit einer Fusion der Aufzugsparte von Thyssenkrupp liebäugeln. Wie das "Handelsblatt" am Sonntag berichtete, soll die Vorsitzende der Stiftung, Ursula Gather, schon vor zwei Jahren Gespräche über eine Fusion der Sparte mit jener des finnischen Rivalen Kone gesprochen haben.
Jefferies-Analyst Seth Rosenfeld wähnt das Unternehmen vor diesen Hintergründen an einem Scheideweg. Er habe nach Hiesingers Abschied schon gedacht, dass damit "noch nicht alle Karten auf dem Tisch sind". Da mit Lehner nun ein langjähriger Unterstützer von Hiesinger gehe, dürften die aktivistischen Investoren aus dem derzeitigen Machtvakuum wohl als Sieger hervorgehen.
Laut Rosenfeld macht "die scharf formulierte Rücktrittsankündigung deutlich, dass eine aggressive Restrukturierung durchaus möglich ist." Damit werde immer klarer, dass eine Aufspaltung in der Diskussion sei. Wenn innerhalb der verschiedenen Geschäftsbereiche nach Wertsteigerungen gesucht werde, sei dies von Vorteil für die Aktionäre. Dies könne dazu beitragen, um eine Bewertungslücke zu anderen Branchenwerten zu schließen.
Der Kurs von Thyssenkrupp hatte in den vergangenen Jahren bereits von der Konsolidierungsfantasie profitiert. Im Februar 2016 hatte sie bei 12,56 Euro ihren tiefsten Stand seit 2012 markiert, dann aber setzte eine deutliche Erholungsbewegung ein, als sich die Stahlfusion mit Tata mehr und mehr abzeichnete. In den vergangenen zwölf Monaten jedoch herrschte wieder Flaute: Fast 18 Prozent haben sie seither verloren, während sich der Dax stabil entwickelte./tih/la/fba
ISIN DE0007500001
AXC0105 2018-07-17/11:06