Die starken Schwankungen am Aktienmarkt quittieren Anleger mit Zurückhaltung und Risikoscheu. Die Nachfrage nach als sicher geltenden Investments drücken die Renditen von Bundesanleihen wieder unter 0,4 Prozent. Für Italien wird Finanzierung am Kapitalmarkt hingegen teurer.
26. Oktober 2018. FRANKFURT (Börse Frankfurt). Die Nervosität an den Finanzmärkten hat sich in dieser Woche noch einmal verstärkt. An den Aktienmärkten geht es unter starken Schwankungen bergab. Das erhöht die Nachfrage nach Rentenpapieren bonitätsstarker Staaten wie Deutschland. Zu erkennen ist dies an der Entwicklung des Euro-Bund-Future. Der Indikator für die langfristige Zinsentwicklung legte auf Wochensicht von 159,26 auf 160,42 Prozent zu, was einer Rendite von 0,37 Prozent entspricht.
"Das ist eindeutig Krisenmodus", befindet Arthur Brunner von der ICF Bank, der von einer spannenden Woche spricht. Neben den bekannten politischen Themen wie Italien, Brexit und Handelskrieg zwischen den USA und China hätten etliche Unternehmen Gewinnwarnungen ausgesprochen.
Europäische Notenbank konkretisiert Zinspläne
Nach den gestrigen Auslassungen der Europäischen Zentralbank erwarten viele Analysten nun frühesten Ende 2019 eine Zinserhöhung im Euroraum. Zudem werde sich Notenbankchef Mario Draghi vermutlich an den kommunizierten Fahrplan halten, die Netto-Anleihekäufe zum Jahresende zu beenden. Dennoch bleibt die EZB auch danach ein bedeutender Nachfrager am Markt, wie Jochen Intelmann anmerkt. Der Chefvolkswirt von der Hamburger Sparkasse verweist auf die Zins- und Tilgungsbeträge aus dem 2,6 Billionen Euro schweren EZB-Portfolio, die für längere Zeit reinvestiert würden. Pro Monat könnten die Währungshüter mit den im Durchschnitt rund 15 Milliarden Euro auch weiterhin für günstige Liquiditätsbedingungen am Markt sorgen.
Italien bleibt Thema
Der italienische Haushalt wird die Finanzmärkte nach Ansicht von Brunner noch eine Weile beschäftigen. Das sieht Sintje Boie von der HSH Nordbank ähnlich, die davon ausgeht, dass letztendlich die Finanzmärkte durch den Anstieg der Risikoaufschläge für italienische Staatsanleihen die Regierung zu einem Kurswechsel bewegen werden. Denn die EU Kommission könne zwar ein Defizitverfahren einleiten. Die Entscheidung dazu treffe der EU Finanzministerrat mit qualifizierter Mehrheit. Dieser könne Italien in dem Fall eine Frist von höchstens sechs Monaten für das Ergreifen wirksamer Maßnahmen geben.
Eine Haushaltskorrektur gebe es dann grundsätzlich im Folgejahr nach der Feststellung. Sei der Schuldensünder uneinsichtig, könnten Sanktionen drohen, beginnend mit einer verzinslichen gefolgt von einer unverzinslichen Einlage bis hin zu einer Geldbuße von 0,2 bis 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Abgesehen davon, dass man noch nie zu diesem Mittel gegriffen hat, müssten hier Reformen ansetzen, wie Boie urteilt. Deshalb sei das Problem auf kurze Sicht nicht lösbar.
Kreditwürdigkeit leidet
Zu schnelleren Ergebnissen kommen in der Regel die Rating-Agenturen. Nachdem Moody's den Bonds des Landes mit Baa3 und stabilem Ausblick gerade noch ein Investment-Grade zugesteht, wird Standard & Poor?s voraussichtlich heute die Kreditwürdigkeit italienischer Banken neu einstufen. Mit zwischenzeitlich 3,673 Prozent erreichte die Rendite zehnjähriger italienischer Staatsanleihen Mittwoch den Wochenhöchststand. Aktuell liegt der Abstand zu Bundesanleihen bei 308 Basispunkten.
Netflix refinanziert sich erfolgreich
Einige Neuemissionen - unter anderem von Netflix - gab es laut Rainer Petz von der Oddo Seydler Bank in dieser Woche. Für eine 800 Millionen US-Dollar schwere Anleihe (WKN A2RTMY) mit Fälligkeit im Mai 2029 und einer Stücklung von 2.000 US-Dollar zahle der Streaming-Anbieter von Filmen und Serien einen Kupon von 6,375 Prozent. Ebenfalls bis 2029 laufe eine neue Netflix-Anleihe (WKN A2RTM0) in Einheiten von 100.000 Euro und einem Volumen von 1,1 Milliarden Euro, die Anlegern einen jährlichen Zins von 4,625 Prozent bringt. Durch eine Make-Whole-Option in den Anleihebedingungen hat Netflix ein vorzeitiges Kündigungsrecht.
Bayer unter Druck
Im Handel mit Unternehmensanleihen verbucht Gregor Daniel Abflüsse einer bis 2075 laufenden Bayer-Anleihe (WKN A11QR6) mit einem Kupon von 3 Prozent. Die Anleihe gab auf Wochensicht von 102 auf 100 Prozent nach. Der Händler der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank sieht einen Zusammenhang mit dem Einbruch der Aktie nach einer richterlichen Entscheidung, den ersten US-Glyphosatprozess nicht neu aufzurollen sondern den verhängten Schadenersatz lediglich zu reduzieren.
Gegenwind für Paragon und Ferratum
Verstärkt abgestoßen wird laut Brunner eine in 2022 fällige, mit jährlich 4,5 Prozent verzinste Paragon-Anleihe (WKN AJGSB8). Investoren reagierten damit auf die mit Kaufzurückhaltung begründete abgesagte Emission eines neuen Bonds.
"Anleger halten sich generell zurück", beobachtet Brunner. Das bekomme auch ein Ferratum-Bond (WKN A2LQLF) mit einer Laufzeit bis Mai 2022 mit einem Kupon von 5,55 Prozent zu spüren. Die Anleihe des finnischen Finanzdienstleisters sei erstmals seit Auflage zwischenzeitlich unter 100 Prozent gefallen. Aktuell kostet der Wert 100,50 Prozent.
Von: Iris Merker
28. Oktober 2018, © Deutsche Börse AG
(Für den Inhalt der Kolumne ist allein Deutsche Börse AG verantwortlich. Die Beiträge sind keine Aufforderung zum Kauf und Verkauf von Wertpapieren oder anderen Vermögenswerten.)
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