Seit 2017 schien sich die EZB immer mehr vom Taubenschlag zum Falkenhorst zu entwickeln. Eine robustere Euro-Konjunktur, ansteigende Inflation und eine entspannte Schuldenkrise machten das langjährig verabreichte Aphrodisiakum einer ultralockeren Geldpolitik vermeintlich weniger notwendig. Tatsächlich stellte die EZB Ende 2018 ihre Anleihekäufe ein und die Finanzgelehrten diskutierten schon länger, wann die erste Zinserhöhung stattfindet und wie viele dann folgen. In Europa roch es nach Zinswende.
Wer die Leitzinsen in guten Konjunkturzeiten nicht erhöht, erhöht sie auch nicht in schlechten
Mittlerweile jedoch hat in Europa ein anderer Geruch die Oberhand gewonnen. Der US-chinesische Handelskrieg, die vermaledeite Brexit-Debatte, die Geldwestenproteste in Frankreich und so manches andere Euro-politische Scharmützel düngen die wirtschaftliche Unsicherheit wie Mist die Erdbeerpflanzen. Das Stimmungsbarometer des ifo Instituts für die Eurozone, das Geschäftslage und -erwartungen zueinander in Beziehung setzt, ist in den letzten zwei Quartalen dramatisch in die Abschwungzone gerutscht und nähert sich der Schrumpfung.
Und wenn die Konjunktur lahmt, wird die Qualität des Kreditportfolios der europäischen Banken und damit ihre Ertragslage bestimmt nicht besser. Undenkbar ist eine neue Bankenkrise nicht. Erhebliche Kosten verursacht ohnehin der negative Einlagenzins der EZB von aktuell minus 0,4 Prozent, den Banken bei Reservehaltung berappen müssen. Hier sind "Zinserhöhungen" dringend geboten, die sich bei Kreditinstituten wie Senkungen dieses Strafzinses auswirken.
Bei geringen Inflationssorgen erhöht keine Notenbank die Leitzinsen
Überhaupt, auch beim neuralgischsten aller Punkte der Notenbanken, der Preisentwicklung, besteht kein Handlungsdruck. Sowohl Inflationsrate als auch -erwartungen in der Eurozone sind abwärtsgerichtet. EZB-Präsident Draghi selbst erwartet für die nächsten drei Jahre nicht die Erreichung seines Inflationsziels von zwei Prozent. Hier spricht nichts für Zinserhöhungen.
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