Von Olaf Ridder
FRANKFURT (Dow Jones)--Die diesjährige Hauptversammlung von Bayer am 26. April dürfte für die Konzernführung unangenehm werden. Wegen unabsehbarer Risiken im Zusammenhang mit dem Unkrautvernichter Glyphosat empfehlen die beiden großen Stimmrechtsberater ISS und Glass Lewis den Aktionären nämlich gleichermaßen, den Konzernvorstand nicht zu entlasten. "Der Vorstand hat die rechtlichen Risiken und die Reputationsrisiken der Monsanto-Akquisition falsch eingeschätzt", heißt es in der Bewertung von ISS.
Für Glass Lewis deutet bislang zwar nichts darauf hin, dass der Vorstand im Hinblick auf mögliche Glyphosat-Risiken seine Pflichten verletzt habe. Doch eine Entlastung hält auch die Nummer zwei der Branche der sogenannten Proxy Adviser nicht für angezeigt: "Wir glauben nicht, dass die Aktionäre derzeit in der Lage sind, eine sinnvolle Bewertung vorzunehmen, ob die Entlastung der Vorstandsmitglieder für das abgelaufene Geschäftsjahr derzeit in ihrem besten Interesse ist."
Seit der Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto sieht sich Bayer in den USA einer Klagewelle ausgesetzt. Gut 11.200 Fälle sind bisher vor Gericht gelandet, weil die Kläger ihre Krebserkrankung auf das Breitbandherbizid Roundup zurückführen, das im Portfolio von Monsanto eine entscheidende Rolle spielt. Bayer bestreitet dies und verweist auf die weltweite Zulassung des Mittels sowie auf über 800 wissenschaftliche Studien, die zu einem anderen Ergebnis kommen.
Gleichwohl haben zwei Gerichte in Kalifornien Bayer bisher zu Schadensersatz in jeweils zweistelliger Millionenhöhe verurteilt. Obwohl der Konzern sich juristisch wehrt und sicher ist, dass die Gerichte seine Sicht am Ende auch bestätigen werden, hat die Bayer-Aktie seit der Monsanto-Übernahme 40 Prozent ihres Wertes verloren. Vor allem dies treibt Anleger auf die Barrikaden.
Es sei "schon kühn, dass der Vorstand seine eigene Entlastung für das Desasterjahr 2018 empfiehlt", schrieb der Corporate-Governance-Experte Christian Strenger schon vor Wochen. Er hat offiziell einen Gegenantrag zur Hauptversammlung gestellt, den Vorstand nicht zu entlasten. Der Monsanto-Deal, so kritisierte er, habe sich "zum größten und schnellsten Wertvernichter der DAX-Geschichte" entwickelt.
In seiner Stellungnahme zu diesem und einem weiteren Gegenantrag äußerte der Bayer-Vorstand sich zwar "enttäuscht" über die Kursentwicklung, vertrat aber die Einschätzung, dass der Markt den wahren Wert der Bayer-Aktie nicht widerspiegelt, sondern im Gegenteil die nicht rechtskräftigen Urteile von US-Jurys "zu stark einpreist".
Glass Lewis sieht jedoch die Gefahr, dass mit weiteren negativen Gerichtsentscheidungen die Aktie weiter nachgibt und dass für die Aktionäre damit ein nachhaltiger Wertverlust eintreten könnte. Für ISS ist die schiere Zahl der Schadensfälle ein Anlass zur Sorge, ebenso die Ankündigung von Klägeranwälten, nachzuweisen, dass Monsanto versucht habe, Wissenschaftler, Regulierer und Öffentlichkeit gleichermaßen zu beeinflussen.
Eine Nicht-Entlastung hätte für den Bayer-Vorstand keine direkten rechtlichen Konsequenzen, wäre aber ein Mißtrauensvotum für ein Management, das bislang unisono den teuersten Kauf in der deutschen Unternehmensgeschichte verteidigt. "ISS hält es für wichtig, dass die Aktionäre eine klare Botschaft an den Vorstand senden, dass er für die anhaltenden negativen Entwicklungen, rechtlichen Risiken und Kursverluste im Unternehmen verantwortlich ist."
Glass Lewis empfiehlt überdies, auch dem Aufsichtsrat die Entlastung zu verweigern. Die Aktionärsberater monieren mangelnde Unabhängigkeit im Prüfungsausschuss beim Thema Monsanto, kritisieren aber auch, dass das Kontrollgremium einer Erhöhung der kurzfristigen variablen Vergütung von CEO Baumann von 1,3 auf 1,7 Millionen Euro zugestimmt hat. Eine beschränkte Kürzung des Bonus wäre dagegen angezeigt gewesen, heißt es in der Empfehlung weiter.
Bayer-Aufsichtsratschef Werner Wenning stellte sich in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit dem Handelsblatt demonstrativ hinter Bayer-Chef Werner Baumann. Dessen Vorgänger Marijn Dekkers hatte den Monsanto-Deal abgelehnt.
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April 05, 2019 09:05 ET (13:05 GMT)
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