Für die Anleger am deutschen Aktienmarkt könnte sich das schwache Börsenjahr 2018 als Ausrutscher erweisen. Denn spätestens seit Mitte Juni scheint eines klar zu sein: Zur Ankurbelung der Konjunktur setzen die wichtigsten Notenbanken der Welt wohl bald wieder auf die altbewährte Rosskur des billigen Geldes. So hält der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, zusätzliche Zinssenkungen und weitere Anleihekäufe für denkbar. Diese Geldflut dürfte sich mangels Anlagealternativen ihren Weg in die Kapitalmärkte bahnen. "Draghis Geldpolitik schürt das Feuer der Hausse wie ein warmer Sommerwind", sagt Thomas Buckard, Vorstandsmitglied des Vermögensverwalter MPF AG.
Auch die US-Notenbank (Fed) öffnete jüngst die Tür für eine Leitzinssenkung und signalisierte damit ihre Bereitschaft zur Unterstützung der US-Wirtschaft. Die Unsicherheiten für den wirtschaftlichen Ausblick haben der Fed zufolge zugenommen.
Das verwundert kaum, denn die Liste der Unwägbarkeiten ist lang: Der chinesisch-amerikanische Handelsstreit ist noch immer nicht gelöst, auch wenn es vielleicht erst einmal einen "vorläufigen Burgfrieden" geben sollte, im Konflikt zwischen dem Iran und den USA bleiben beide Seiten unnachgiebig und der Brexit ist immer noch nicht vollzogen.
Ende letzten Jahres hatte sich noch keine so deutliche Unterstützung
des Aktienmarktes durch die Notenbanken abgezeichnet. Im Gegenteil:
die Angst vor steigenden Zinsen - die Anleihen attraktiver machen -
hatte den Anlegern gründlich die Laune verdorben. Im Ergebnis fuhr
der Leitindex Dax
Nun aber scheinen die Notenbanken entschlossen zu sein, mit allen Mitteln gegen eine Abkühlung der Weltwirtschaft anzukämpfen. Für die Börse ist das eigentlich eine gute Nachricht, denn es winkt wieder einmal ein Geldsegen vom Anleihenmarkt: "Aktuell werden immer mehr festverzinsliche Papiere fällig, die bisher für die Anleger noch gute Kuponzahlungen brachten", erklärt Uwe Eilers, Geschäftsführer von FV Frankfurter Vermögen GmbH. "Die Neuanlage ist nun nicht mehr so einfach möglich, so dass immer mehr Liquidität in die Aktienmärkte fließen wird." Die Anleger verteilten schon einmal kräftig Vorschusslorbeeren und schoben den Dax seit Anfang Juni ordentlich an.
Kurz vor dem Beginn der Berichtssaison der Unternehmen zum zweiten Quartal werden aber auch mahnende Stimmen laut. So warnt Marktstratege Andreas Hürkamp von der Commerzbank, dass viele Unternehmen angesichts der unerwartet schwachen Weltkonjunktur demnächst ihre Gewinnprognosen senken könnten. In diesem Umfeld "dürfte sich der Dax in den kommenden Monaten unter größeren Schwankungen seitwärts bewegen".
Der Vermögensverwalter Jens Ehrhardt erinnerte zudem daran, dass nun bald die traditionell schwachen Börsenmonate August und September anstehen, in denen die Anleger dem Aktienmarkt oft fernbleiben. Zudem reichen seiner Meinung nach die monetären Stimuli der Notenbanken nicht aus, um die schwächelnde Konjunktur zu stützen. Vielmehr müssten auch fiskalpolitische Ankurbelungen etwa in Form einer höheren Staatsverschuldung erfolgen, um zum Beispiel die Investitionen zu erhöhen.
Rückenwind wiederum könnte für den Dax von eher unerwarteter Seite kommen - nämlich aus London. Zwar will der Favorit für das Amt des britischen Premierministers, Boris Johnson, das Brexit-Abkommen nachverhandeln und geht damit auf Konfrontationskurs zu Brüssel. Frank Wieser, Geschäftsführer von PMP Vermögensmanagement, blickt dennoch optimistisch in die Zukunft: "Der Brexit kann nur noch positiv überraschen. So ziemlich jeder Börsianer rechnet mit dem Schlimmsten." Dies bedeute im Umkehrschluss aber auch ein gewisses Kurspotenzial, falls sich die Europäische Union und Großbritannien doch überraschend auf einen Austrittsvertrag einigen sollten./la/gl/mis
--- Von Lutz Alexander, dpa-AFX ---
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AXC0174 2019-06-28/15:25