Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Der Deutsche Städtetag hat die Forderung Bayerns nach einer Öffnungsklausel bei der Grundsteuerreform scharf kritisiert und schnell eine einheitliche Regelung gefordert, um Bürokratie zu vermeiden. "Alleingänge, wie von Bayern verlangt, helfen nicht weiter", sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy der Welt. "Wir brauchen eine bundeseinheitliche Regelung für die Grundsteuer." Ein einheitliches Recht halte den Bürokratie- und Verwaltungsaufwand in Grenzen, vor allem im Vergleich zu 16 verschiedenen steuerlichen Bewertungsregelungen.
Außerdem verhindere eine einheitliche Regelung, "dass die Bundesländer in einen unfairen Steuerwettbewerb über die Bewertung von Grundstücken eintreten", meinte Dedy. Die Finanzminister aus Bund und Ländern sollten die noch offenen Fragen zügig klären, verlangte er. Die Städte hielten die zwischen Bund und Ländern mehrheitlich verabredeten Eckpunkte für ein wertorientiertes Modell "nach wie vor für eine gute Grundlage".
Das Finanzministerium hatte am Vortag die Darstellung zurückgewiesen, der Gesetzentwurf zur Grundsteuer sei auf Eis gelegt worden. Die Bild-Zeitung hatte berichtet, das Kanzleramt habe den umstrittenen Entwurf endgültig gestoppt. Hintergrund ist der Widerstand Bayerns; München lehnt das von Scholz geplante wertabhängige Modell ab und verlangt eine Öffnungsklausel für ein eigenes Ländergesetz, das sich rein an der Fläche orientiert. Bei einer Anhörung mit Experten und Länderministern soll am kommenden Freitag geklärt werden, ob eine solche Öffnungsklausel verfassungsgemäß wäre.
Scholz bekräftigte dieses Vorhaben und zeigte sich zuversichtlich für eine baldige Einigung. "Es gibt da auch noch Wünsche nach Abweichungsmöglichkeiten, die verfassungsrechtlich sehr sorgfältig erwogen werden müssen, denn nicht alles, was man sich wünscht, funktioniert auch, wenn man ins Grundgesetz reinguckt", sagte er dem Deutschlandfunk. "Dann glaube ich, kommen wir auch bald voran und werden das hinkriegen, dass dieses Gesetz bis zum Ende des Jahres beschlossen ist." Diese Frist hatte das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber gesetzt.
Unionsfraktion fordert Bewegung bei Scholz
Für neuen Zündstoff sorgt in der Debatte nun ein Papier des Bundesinnenministeriums, nach dem eine Länderöffnungsklausel verfassungskonform ist, wie die Rheinische Post berichtete. "Der Bund kann entweder durch ein Freigabegesetz oder die Aufnahme einer Öffnungsklausel den Ländern einen gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum für eine abweichende Gesetzgebung einräumen", heißt es in dem Papier des CSU-geführten Ministeriums demnach. Eine grundlegende Neukonzeption der Grundsteuer, wie sie Scholz vorschwebe, sei dagegen nicht verfassungskonform.
Die Unionsfraktion forderte Scholz angesichts der verfahrenen Situation zu einer Änderung seiner Haltung auf. "Scholz muss sich bewegen", sagte Fraktionsvize Andreas Jung (CDU) der Bild-Zeitung. Andernfalls verursache der Finanzminister "einen Scherbenhaufen", warnte er. Scholz wolle bei der Grundsteuerreform "mit dem Kopf durch die Wand". Die Unionsfraktion fordert ebenfalls die Prüfung eine Öffnungsklausel. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich dahinter gestellt.
Das Modell des Finanzministers orientiert sich an der Wertentwicklung der Grundstücke. Die Bemessungsgrundlage soll dafür in einem vereinfachten Ertragswertverfahren ermittelt werden. Bei Wohngrundstücken soll sich der Ertragswert an der pauschalierten Nettokaltmiete pro Quadratmeter orientieren. Die Lage der Immobilie soll über den Bodenrichtwert einließen. Kritiker befürchten jedoch Mietanstiege in Ballungsräumen. Steht bis Jahresende kein Gesetz, würde die Grundsteuer aber entfallen. Den Kommunen entgingen dann jährliche Einnahmen von fast 15 Milliarden Euro.
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May 03, 2019 03:15 ET (07:15 GMT)
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