
Von Petra Sorge
BERLIN (Dow Jones)--Das Lieblingsprojekt der CSU, die Pkw-Maut, liegt in Trümmern. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die entsprechenden Pläne für unzulässig erklärt. Sie diskriminierten ausländische Fahrzeughalter. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer erklärte, die Pkw-Maut sei somit "leider vom Tisch", nannte die Entscheidung der Luxemburger Richter "überraschend" und "bedauerlich".
Für die CSU ist das Urteil ein Schock - für Bundeskanzlerin Angela Merkel indes ein Triumph. Sie war ursprünglich strikt gegen dieses Projekt gewesen. Der Streit reicht weit zurück. 2006 hatte die CSU erstmalig eine Maut gefordert, konnte sich 2009 aber noch nicht gegen die damalige CDU-Chefin durchsetzen. Im Wahlkampf 2013 setzte Merkel noch eins drauf. Im TV-Duell mit ihrem damaligen Herausforderer Peer Steinbrück (SPD) erklärte sie: "Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben."
Doch Merkel hatte nicht mit der Zähigkeit der Schwesterpartei gerechnet. Der damalige Parteichef Horst Seehofer boxte das Projekt durch. Offiziell hieß sie nun "Infrastrukturabgabe". Zwei Jahre später stimmten Bundestag und Bundesrat zu. Dabei hatte es schon damals lautstarke Kritik an dem Gesetzentwurf gegeben.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages warnte, dass die geplante Maut nicht mit EU-Recht vereinbar sei. Auch die Opposition war dagegen. Das Problem, das jetzt auch Luxemburg erfasste: Während Ausländer zur Kasse gebeten würden, sollten deutsche Fahrzeughalter über die Kfz-Steuer entlastet werden - und zwar genau in der Höhe der geplanten Pkw-Maut.
Das hatte auch Österreich moniert und 2017 Klage vorm EuGH eingereicht. Der dortige Verkehrsminister Andreas Reichhardt sieht sich nun auch in seiner Ablehnung bestätigt und spricht von einem "richtigen Signal".
Angela Merkel fasste ihre Haltung nüchterner zusammen. Man habe das Urteil "zur Kenntnis genommen" und werde dieses "akzeptieren", sagte sie und reichte den Schwarzen Peter gleich an den Zuständigen bei der CSU weiter: "Natürlich wird der Bundesverkehrminister die Situation jetzt analysieren und dann werden wir sagen, wie wir weiter vorgehen." Scheuer muss nun retten, was seine Vorgänger geschaffen haben. Etwas Hoffnung hat der Minister noch: Es werde noch viele Debatten "gerade im Herbst über das Thema ökologische Lenkungswirkung, Klimaschutz" geben, so Scheuer.
Tatsächlich hätte die Pkw-Maut wohl nur einen geringen Klimaeffekt gehabt. Grund dafür war wiederum die Kompensation der Autofahrer. In dieser Woche musste das Bundesverkehrsministerium zudem einräumen, dass die Maut nicht einmal die erhofften Einkünfte in die Staatskasse gebracht hätte. Von den erwarteten 500 Millionen Euro blieben nach Berechnungen der Referenten nur noch 400 Millionen Euro übrig.
Selbst Bundesfinanzminister Olaf Scholz hatte offenbar nicht mit allzu vielen Maut-Einnahmen gerechnet. Er bezeichnete die Auswirkungen des EuGH-Urteils auf den Regierungsentwurf 2020 am Dienstag als "sehr überschaubar".
Sollte die CSU an ihrem Plan festhalten und später noch einmal über eine Maut diskutieren wollen, dürfte eine Frage besonders spannend werden: Wie kann die Autobahngebühr so gestaltet werden, dass sie mit EU-Recht vereinbar ist, Deutsche aber nicht zusätzlich belastet? Denn die Union hatte auch versprochen, keine neuen Steuern und Abgaben einzuführen.
Der CDU-Wirtschaftsrat will unbedingt vermeiden, dass die Pkw-Maut Arbeitnehmer trifft, die für ihren Weg zur Arbeit auf das Auto angewiesen sind. Das will auch die SPD nicht. Im Herbst muss Scheuer spätestens eine Antwort liefern.
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June 18, 2019 11:54 ET (15:54 GMT)
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