Nach einer beeindruckenden Kursrally wird die
Luft für den Dax
Obwohl der scheidende EZB-Präsident Mario Draghi in seiner letzten Pressekonferenz von schwachen Wirtschaftsaussichten für den Euroraum berichtet habe, seien die Anleger gelassen geblieben, schreibt Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank. Doch nachdem der Dax auf Jahreshöchstände geklettert sei, "wird ein Ausbruch nach oben ohne wirtschaftliche Impulse schwierig". Zudem habe die Europäische Zentralbank, die in den vergangenen Jahren die Finanzmärkte stabilisiert habe, unter Draghis Nachfolgerin Christine Lagarde "kaum mehr Munition für weitere geldpolitische Initiativen übrig".
Charttechniker trauen dem Dax indes mindestens kurzfristig weitere Gewinne zu. Das Börsenbarometer habe zuletzt zwei Jahresbestmarken aufgestellt und sei besser gelaufen als andere europäische Indizes, betonte Christian Schmidt von der Helaba. Zudem zeigten die Trends auf allen Zeitebenen nach oben. "Allerdings sind sehr steile Anstiegsbewegungen in der Regel nicht von langer Dauer", warnte er vor zu viel Euphorie. Seit dem Rückschlag zu Monatsbeginn hat sich der Dax um gut acht Prozent erholt, und für den bisherigen Jahresverlauf steht ein sattes Plus von knapp 22 Prozent zu Buche.
Schmidts Helaba-Kollegin Claudia Windt setzt darauf, dass die US-Regierung am kommenden Freitag erneut einen robusten monatlichen Arbeitsmarktbericht vorlegen wird. Zudem sollten die anstehenden Einkaufsmanagerindizes aus den USA und China eine leicht aufgehellte Stimmung in den Unternehmen der beiden weltgrößten Volkswirtschaften belegen. Dagegen dürfte das Wirtschaftswachstum in den Vereinigten Staaten sowie in der Eurozone im dritten Quartal nochmals schwächer als im Vorquartal ausgefallen sein.
Mit Blick auf die hiesige Geldpolitik ist Windt etwas zuversichtlicher als Deka-Ökonom Kater. Denn in der Berichtswoche dürften schwache Daten zur europäischen Inflation "die Fantasie für eine nochmalige Zinssenkung der EZB aufrecht erhalten".
Einig sind sich Experten in ihrer Einschätzung zum weiteren Kurs der US-Notenbank Fed. Sie werde am Mittwoch den Leitzins wohl erneut senken, obwohl Amerikas Währungshüter über die grundsätzliche Notwendigkeit einer weiteren geldpolitischen Lockerung gespalten seien, meint Kater. Auch Metzler-Chefvolkswirt Edgar Walk geht von einer erneuten Zinssenkung aus. "Aber über den weiteren Verlauf des Handelsstreits hat es letztlich primär Präsident Trump und nicht die Fed in der Hand, ob aus der konjunkturellen Abschwächung eine Rezession wird", ergänzte Windts Kollege Patrick Franke von der Helaba.
Der Brexit macht Windt derweil wenig Angst. Nachdem Premierminister Boris Johnson auf Druck des Londoner Parlaments eine Fristverlängerung bis Ende Januar beantragen musste, sei ein ungeregelter Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union (EU) unwahrscheinlich geworden. Daher gelte "für die Anleger hier die Losung 'abwarten und Tee trinken'".
Vollständig gebannt ist die Gefahr eines chaotischen britischen Austritts am 31. Oktober aber noch nicht. Denn die EU-Staaten vertagten vor dem Wochenende ihre Entscheidung über eine Fristverlängerung. Sie wurden sich nicht über die Dauer der Verschiebung einig, wie mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur bestätigten. Es gebe aber grundsätzliche Einigkeit, dass es einen Aufschub geben solle und dass man eine Entscheidung im Konsens treffen wolle.
Derweil nimmt die Berichtssaison der Unternehmen in der neuen Woche
mit einer Zahlenflut weiter Fahrt auf. Aus dem Dax steht am Montag
die Quartalsbilanz des Kunststoffkonzerns Covestro
Für Dienstag haben mit dem Medizinkonzern Fresenius
Zudem berichten in der neuen Woche die US-Technologieriesen Alphabet
--- Von Gerold Löhle, dpa-AFX ---
ISIN DE0008469008
AXC0242 2019-10-25/15:33