BERLIN (Dow Jones)--In der Debatte um eine mögliche Enteignung von Wohnungen hat sich der hessische stellvertretende Ministerpräsident gegen eine Verstaatlichung und für die Schaffung von neuem Wohnraum ausgesprochen. Dem Deutschlandfunk sagte der Grünen-Politiker Tarek Al-Wazir, der auch Wirtschaftsminister in Hessen ist, der Neubau von Wohnung sei besser als Entschädigungen von Immobilienkonzernen wie Deutsche Wohnen in Milliardenhöhe.
Mit Verweis auf Berlin, wo der frühere rot-rote Senat fast 200.000 Wohnungen der städtischen Gesellschaften seit der Wende bis in die Mitte der Nuller Jahre verkauft hatte, sagte Al-Wazir, dass dies ein Teil des Berliner Problems mit hohen Mieten sei. "Ich glaube an dieser Stelle, dass man, wenn man einen Fehler mal gemacht hat, ihn nicht dadurch heilt, dass man den nächsten Fehler macht", sagte Al-Wazir. "Wenn ich die Wahl hätte, 7 Milliarden auszugeben für eine Entschädigung der Deutschen Wohnen oder mit diesen 7 Milliarden Wohnung zu bauen, würde ich mich immer für das Zweite entscheiden."
Außerdem würde es ein Problem mit bachliegendem Bauland geben, dass trotz Genehmigungen nicht bebaut werde. "Die anzuschreiben, die zu mobilisieren und denen im Zweifel auch zu sagen, dass es ein allerletztes Schwert gibt, das kann durchaus etwas mobilisieren. Bei den Wohnungen selbst, die schon gebaut sind, das sehe ich deutlich skeptischer", so Al-Wazir. Eine Ablehnung zu möglichen Enteignung kam auch vom parlamentarischen Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider.
"Enteignung schafft keine einzige neue Wohnung", sagte Schneider der Passauer Neuen Presse. Zwar sei Wohnen "keine Ware wie jede andere". "Wir dürfen uns aber nicht zu irrationalen und kontraproduktiven Scheinlösungen wie der Enteignung verleiten lassen." Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag hat sich im ZDF-Morgenmagazin jedoch für Verstaatlichung von Wohnungen gegen Entschädigung ausgesprochen und war der Bundesregierung bei dem Thema hohe Mieten Tatenlosigkeit vor. Sie kritisierte, "dass mit der sogenannten Mietpreisbremse wahrscheinlich das wirkungsloseste Gesetz in der Geschichte der Bundesrepublik beschlossen wurde". Jahrelang sei von der Bundesregierung tatenlos zugesehen worden und zu wenig Gelder vom Bund für den sozialen Wohnungsbau zur Verfügung gestellt worden.
Am Wochenende hatten in mehreren deutschen Großstädten zehntausende Mehnschen gegen hohe Mietpreise und Wohnungsmangel demonstriert. In Berlin startete am Samstag zudem ein Volksbegehren. Es fordert, dass private Immobilienunternehmen wie Deutsche Wohnen und Vonovia, die im Besitz von mindestens 3.000 Wohnungen sind, gegen Entschädigung enteignet werden sollen. Während der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) das geplante Volksbegehren kritisch sieht, unterstützen die mitregierenden Linken die Pläne. Die SPD und die mitregierenden Grünen sind uneins über eine Enteignung.
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April 08, 2019 04:21 ET (08:21 GMT)
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