BERLIN (Dow Jones)--Der Mindestlohn führt dazu, dass sich die Lohnschere in Deutschland langsam schließt, obwohl er noch immer Millionen Menschen vorenthalten wird. Das ist das Ergebnis einer neuen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Zwischen 2013 bis 2018 sind die Bruttostundenlöhne demnach real um mehr als 8 Prozent gestiegen. Allerdings erhalten rund 2,4 Millionen Anspruchsberechtigte noch immer keinen Mindestlohn.
Überdurchschnittlich erhöht hätten sich die Stundenlöhne seit der Einführung des Mindestlohns 2015 bei den untersten 10 Prozent der Beschäftigten, heißt es in der Studie. "Die steigenden Bruttostundenlöhne gerade bei den Geringverdienenden haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass die Lohnungleichheit in Deutschland abgenommen hat", erklärte Studienautor Markus Grabka. Zwischen 2015 und 2018 sank der Anteil der Niedriglohnbeschäftigten von 23,7 auf 21,7 Prozent. Die DIW-Ökonomen hatten für die Studie Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) für die Jahre 1995 bis 2018 ausgewertet.
Allerdings bekommen 7,7 Millionen Beschäftigte noch immer weniger als zwei Drittel des Durchschnittseinkommens - etwa, weil viele Beschäftigte keinen Mindestlohn erhalten. Wird der tatsächliche Stundenlohn berücksichtigt, sind es 3,8 Millionen, die leer ausgehen.
Das deute darauf hin, dass der Mindestlohn häufig auch mit Hilfe von Überstunden umgangen werde, so die Studienautoren. Abhilfe könnte laut DIW ein Vorstoß von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) zur strengeren Kontrolle von Arbeitszeiten schaffen. Zuvor hatte bereits der Europäische Gerichtshof eine verpflichtende Erfassung der Arbeitsstunden gefordert.
Die SPD im Bundestag bezeichnete es als "inakzeptabel", dass so vielen Menschen der Mindestlohn vorenthalten werde. "Es ist nicht nur völlig respektlos gegenüber den Beschäftigten, es ist auch gegen das Gesetz", erklärte die arbeitsmarkt- und sozialpolitische Fraktionssprecherin Kerstin Tack. "Deshalb werden wir eine verpflichtende Erfassung der Arbeitszeit einführen, mit der auch alle Überstunden erfasst werden."
Es müsse besser kontrolliert werden, ob sich die Arbeitgeber an den Mindestlohn hielten. Auch werde die Finanzkontrolle Schwarzarbeit ausgebaut und mit zusätzlichen Befugnissen ausgestattet. "Denn wie die Zahlen zeigen, sind intensive Kontrollen dringend notwendig", so Tack.
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February 12, 2020 05:54 ET (10:54 GMT)
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