
Von Patricia Kowsmann und Ruth Bender
BERLIN (Dow Jones)--Die deutschen Behörden haben eine Anfrage an Russland gestellt, ob der ehemalige Wirecard-Vorstand Jan Marsalek in das Land eingereist sei, und sich dabei auf einen internationalen Haftbefehl gegen den untergetauchten Manager berufen.
Die Anfrage vom 22. Juli und die sogenannte "Red Notice" von Interpol wurden in schriftlichen Antworten der Bundesregierung an Abgeordnete am Mittwoch bekannt und vom Wall Street Journal überprüft. Den schriftlichen Angaben zufolge haben die russischen Behörden bis Dienstag auf die deutsche Anfrage noch nicht geantwortet.
Eine Wirecard-Sprecherin gab keinen Kommentar ab.
Ein Anwalt von Marsalek reagierte zunächst nicht auf Aufforderungen zu einer Stellungnahme. Ein russischer Regierungssprecher war nicht umgehend für einen Kommentar erreichbar.
Die Münchener Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ehemalige Wirecard-Führungskräfte wegen Bilanzfälschung und Geldwäsche. Anfang dieses Monats hatte sie drei ehemalige Manager verhaftet, darunter den langjährigen Vorstandsvorsitzenden Markus Braun - wegen des Verdachts von Absprachen, um die Ergebnisse des Unternehmens durch Buchung gefälschter Einnahmen aufzublähen. Braun hat ein Fehlverhalten bislang konsequent bestritten.
Marsalek hat sich den Behörden dagegen entzogen. Er tauchte etwa zu der Zeit unter, als Wirecard ihn am 18. Juni erst beurlaubte und kurz darauf entließ. Zuerst wurde vermutet, er befinde sich auf den Philippinen. Dann deuteten Berichte der Website für investigativen Journalismus Bellingcat und des Nachrichtenmagazins Spiegel darauf hin, er könnte in Belarus oder Russland sein.
Marsalek war jahrelang ein Dreh- und Angelpunkt der Wirecard-Operationen gewesen. Er beaufsichtigte die Beziehungen zu Drittfirmen, die Zahlungen für Wirecard in Märkten abwickelten, in denen das Unternehmen keine Lizenzen besaß, so mit Wirecard vertraute Personen. Die Einnahmen aus diesen Partnerschaften machten einen großen Teil des Geschäfts von Wirecard aus, so Dokumente, die das Wall Street Journal eingesehen hat. Ob sie in dieser Größenordnung existierten, darum drehen sich die Ermittlungen im Kern.
Eine Red Notice von Interpol ist ein Ersuchen an Strafverfolgungsbehörden weltweit, eine Person ausfindig zu machen und festzunehmen, die nach Angaben der internationalen Polizeibehörde auf Auslieferung, Überstellung oder andere rechtliche Schritte erwartet. Interpol teilte mit, dass sie sich nicht zu bestimmten Fällen oder Personen äußert, außer unter besonderen Umständen und mit der Zustimmung des betreffenden Mitgliedslandes.
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July 30, 2020 03:52 ET (07:52 GMT)
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