DJ IfW sieht in EU-Migrationspakt aussichtsreichen Ansatz
Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hat den Vorschlag der Europäischen Kommission für einen EU-Migrationspakt als einen "aussichtsreichen Ansatz" gelobt. "Der Kommissionsvorschlag ist ein wichtiger Schritt hin zu einem EU-Asylsystem, das gewährleistet, dass die Mitgliedstaaten die Zuwanderung nach Europa nach ihren Vorstellungen gestalten können und gleichzeitig Flüchtlinge schützen", sagte IfW-Wissenschaftler Matthias Lücke.
Vor allem nehme der Kommissionsvorschlag die wechselseitige Abhängigkeit der drei großen Aufgabenfelder ernst: Erstens wolle die EU eng mit Herkunfts- und Transitländern zusammenarbeiten, um Flüchtlinge in ihren Erstaufnahmeländern zu schützen, Menschenschmuggel und irreguläre Migration zurückzudrängen und legale Migration im gemeinsamen Interesse zu fördern. Zweitens sollten die EU-Außengrenzen lückenlos überwacht werden, und drittens sollten alle EU-Staaten verbindlich die Erstankunftsländer entlasten, könnten dabei aber ihren Schwerpunkt selbst wählen.
Viele Einzelheiten müssten die EU-Mitgliedstaaten in den kommenden Monaten gemeinsam mit Kommission und Europäischem Parlament klären. Insbesondere hänge der Erfolg des Vorschlags davon ab, dass abgelehnte Asylsuchende tatsächlich reibungslos in ihre Herkunftsländer zurückgeführt würden. Bisher scheitere dies aber häufig an bürokratischen und politischen Hemmnissen. "Trotzdem bleibt der umfassende Vorschlag der Europäischen Kommission der bislang aussichtsreichste Ansatz, um die derzeitige Praxis von Abschottung und Abschreckung an vielen EU-Außengrenzen zu überwinden und ein humanes System der Migrationskontrolle zu entwickeln", erklärte Lücke.
Unterdessen lobte auch der Deutsche Städte- und Gemeindebund den Vorschlag von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen als "guten und tragfähigen Kompromiss". Die Brüsseler Pläne "sind geeignet, die aktuelle Blockade für ein gemeinsames Vorgehen der Mitgliedstaaten in der Asyl- und Migrationspolitik aufzulösen", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Neuen Osnabrücker Zeitung. "Das gilt insbesondere für die Stärkung des EU-weiten Grenzschutzes, die Einrichtung zentraler Asyl- und Rückführungszentren an den EU-Grenzen, eine effektivere Rückführungspolitik sowie die Reform des Dublin-Verfahrens mit einem System der Solidarität."
Landsberg bekräftigte vor dem Hintergrund seine Forderung, "dass die Staaten, die mehr Flüchtlinge aufnehmen, dafür mehr EU-Finanzmittel für die Unterbringung und Integration erhalten müssen". Nachdem der Vorschlag nun auf dem Tisch liege, müssten die Maßnahmen schnellstmöglich umgesetzt werden. Einen weiteren Aufschub können man sich aufgrund der angespannten Situation in einigen Mitgliedstaaten nicht leisten.
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September 24, 2020 03:39 ET (07:39 GMT)
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