DJ Autobranche warnt vor geplanter Pflicht zum Daten teilen
BERLIN (Dow Jones)--Die Automobilbranche hat eindringlich vor den Plänen der Bundesregierung zur Schaffung eines weitreichenden Anspruchs auf Datenzugang gewarnt. Die Neuregelung, die das Wirtschaftsministerium von Peter Altmaier (CDU) mit dem überarbeiteten Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vorsieht, "schießt...über das erklärte Ziel hinaus und führt zu einem Ungleichgewicht zwischen Immaterialgüter- und Kartellrecht". Das erklärt der Verband der Automobilindustrie (VDA) in einer Stellungnahme für den Wirtschaftsausschuss des Deutschen Bundestages, der am morgigen Mittwoch mehrere Experten dazu hört.
Mit dem Gesetz will die Bundesregierung dem Wettbewerbsrecht ein Update verpassen, so soll das Bundeskartellamt Digitalkonzerne effektiver kontrollieren können. Der kartellrechtliche Anspruch auf einen Zugang zu Plattformen, Schnittstellen und Daten soll laut dem Gesetzentwurf in Fällen greifen, "bei denen der Zugang zu Daten aus wettbewerblicher Sicht von besonderer Bedeutung ist", also bei Unternehmen, die über eine relative oder überlegene Marktmacht verfügen. Wenn Plattformen diese Herausgabe verweigern, wird dies erstmals als Missbrauch gewertet.
VDA fürchtet erhebliche Wettbewerbsnachteile für die Unternehmen
Die Autolobby moniert jedoch, dass die Erstellung, Speicherung und Verarbeitung von technischen wie personenbezogenen Daten schon heute Kernbestandteil von Forschung und Entwicklung in der Branche sei. Die Missbrauchsaufsicht dürfe "nicht in eine vermeintliche 'Innovationsförderungspflicht' umgedeutet werden, indem Unternehmen verpflichtet werden, eigene Datenbestände für Dritte zugänglich zu machen - was sich auf längere Sicht im Übrigen innovationshemmend auswirken würde", heißt es in der Stellungnahme. Eine solche deutsche Sonderregelung "würde zu erheblichen Wettbewerbsnachteilen für die in Deutschland ansässigen Unternehmen führen und ist deshalb abzulehnen", so der VDA.
Ein Recht auf Datenzugang sollte aus Sicht der Autoindustrie stets sektorspezifisch sein und nur dann gewährt werden, wenn in diesem Sektor ein Marktversagen vorherzusehen sei. Die Linklaters-Rechtsexpertin Daniela Seeliger wünscht sich in ihrer Stellungnahme wenigstens eine Definition, welche Arten von Daten Unternehmen übermitteln müssten. Dies gerichtlich klären zu lassen, würde "andernfalls sehr viel Zeit kosten". Das Bundeskartellamt selbst hält es für "sachgerecht", dass die Herausgabe der Daten im Einklang mit dem Datenschutzrecht stehen muss.
Zalando: Als Marktmacht-Kriterium auch die aktive Nutzerzeit berücksichtigen
Verbraucherschützer und Gewerkschaften begrüßen die Pläne der Regierung im Wesentlichen, der Düsseldorfer Kartellrechtler Rupprecht Podszun fordert sogar noch weitergehende Regelungen, da die bisher geplanten "in der Praxis zahnlos bleiben" dürften. "Sie können nur effektiviert werden, wenn ein rasches Durchsetzungssystem geschaffen wird", so Podszun - etwa mit Ombudspersonen und Datentreuhändern.
Der Onlinehändler Zalando lobte, die Regierung komme ihrer "ambitionierten und notwendigen Zielsetzung" mit dem Gesetzentwurf zwar "sehr nahe". Allerdings gehe es "über das Ziel hinaus", den Datenzugang bereits auf Plattformen mit relativer Marktmacht auszuweiten, da gravierende wettbewerbswidrige Verhaltensweisen eher von marktbeherrschenden Unternehmen ausgingen. Zugleich empfahl das Unternehmen, als Kriterium für die Beurteilung von Marktmacht auch die aktive Nutzerzeit ins Gesetz aufzunehmen. Denn diese "ist für werbefinanzierte Anbieter bereits eine der entscheidenden Größen geworden". Zalando bedient rund 35 Millionen Kunden in 17 Ländern.
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November 24, 2020 07:21 ET (12:21 GMT)
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