DJ Analyse: CO2-Emissionen sinken coronabedingt um 42,3 Prozent
BERLIN (Dow Jones)--Deutschland hat im vergangenen Jahr vor allem infolge der Corona-Effekte sein Klimaziel übertroffen. Die Treibhausgasemissionen fielen gegenüber dem Referenzjahr 1990 um 42,3 Prozent, wie aus einer vorläufigen Analyse der Denkfabrik Agora Energiewende hervorgeht. Die Bundesregierung hatte eine CO2-Minderung um 40 Prozent angestrebt. Zwei Drittel davon seien auf die Pandemie zurückzuführen: Ohne diese Effekte hätte der Rückgang nur 37,8 Prozent betragen.
Grund seien die durch die Rezession bedingten Rückgänge bei Energieverbrauch, Industrieproduktion und Verkehr, relativ hohe CO2-Preise in Kombination mit niedrigen Gaspreisen, sowie ein milder Winter mit geringem Heizenergieverbrauch. So überholte die Windkraft erstmals die Kohleproduktion. Echte Klimaschutzeffekte habe es 2020 nur im Stromsektor gegeben, denn hier gehe die CO2-Minderung auf den Ersatz von Kohle durch Gas und Erneuerbare Energien zurück, erklärte Agora-Direktor Patrick Graichen. Verkehr und Industrie dürften demnach wieder mehr Treibhausgase ausstoßen, sobald die Wirtschaft anziehe.
Ökostrom-Anteil klettert auf 45 Prozent
Der Auswertung zufolge verloren Gas, Kohle- und Kernkraftwerke im vergangenen Jahr 6 Prozentpunkte im Erzeugungsmix und lieferten damit erstmals nur noch 50 Prozent des deutschen Stroms. Demgegenüber steigerten Erneuerbare-Energien-Anlagen ihre Produktion auf 45 Prozent am Erzeugungsmix. Das Plus gehe zu zwei Dritteln auf ein gutes Windjahr sowie mehr Offshore-Erzeugung zurück und zu einem Drittel auf die Solarenergie. Das deckt sich mit Zahlen, die die Bundesnetzagentur am Samstag veröffentlichte.
Demnach stieg im vergangenen Jahr der Anteil des aus erneuerbaren Energien erzeugten Stroms an der Netzlast von 46,1 Prozent auf sogar 49,3 Prozent. Den größten Beitrag dazu leisteten Windräder - vor allem an Land. On- und Offshore-Anlagen kamen gemeinsam auf einen Anteil von 27,4 Prozent.
BDEW fordert mehr Tempo beim Erneuerbaren-Ausbau
Dennoch hält Agora Energiewende den Zuwachs beim Ökostrom für zu gering. Um den Erneuerbaren-Anteil bis 2030 auf 65 Prozent zu steigern, müsse der Ausbau bei der Windkraft verdreifacht und beim Solarstrom verdoppelt werden, so Graichen.
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) erklärte mit Blick auf die neuen Zahlen, dass Deutschland sich nicht auf dem Corona-Effekt ausruhen dürfe. "Dazu gehört auch, den Wärmemarkt stärker in den Fokus zu rücken", forderte BDEW-Chefin Kerstin Andreae. Auch bei den Sanierungsraten im Gebäudesektor und dem Ökostromausbau müsse mehr getan werden. "Es ist deshalb umso bedauerlicher, dass die Koalition die Chance nicht genutzt hat, im Zuge der EEG-Novelle wichtige Verbesserungen und Erleichterungen für die Erneuerbaren Energien umzusetzen", so Andreae. Die Bundesregierung müsse dies im ersten Quartal 2021 entschlossen anpacken.
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January 04, 2021 08:48 ET (13:48 GMT)
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