Der erste Vize-Präsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, warnt davor, die nationalistischen Kräfte in Europa als Populisten zu verharmlosen. "Wir machen einen großen Fehler, wenn wir nicht erkennen, dass wir es hier mit einer ideologischen Konfrontation zu tun haben", sagte der Niederländer dem "Handelsblatt".
Man müsse die ideologische Auseinandersetzung mit dem Nationalismus deshalb "ähnlich entschlossen führen, wie in Zeiten des Kalten Krieges mit dem Kommunismus". Im Kern gehe es darum, ob die Befürworter einer offenen oder einer geschlossenen Gesellschaft die Oberhand behielten. "Ich kann mir keine geschlossene Gesellschaft vorstellen, die nicht auch unfrei wird, weil sie andere ausgrenzt", warnte Timmermans. Nationalismus führe dazu, dass Regierungen und Gesellschaften den europäischen Nachbarn immer mehr misstrauten.
"Das kann die Europäische Union nicht überleben". Die EU habe das Erstarken der nationalistischen Parteien durch eigene Versäumnisse befördert. "Wir haben in der EU zu viele Menschen zurückgelassen", sagte der Sozialdemokrat. Vor allem die Mittelschicht fühle sich vernachlässigt und fürchte um ihren Wohlstand.
Die daraus resultierende Sehnsucht nach vergangenen Tagen sei aber problematisch, so Timmermans: "Nostalgie ist wie ein guter Wein: ein oder zwei Gläser, aber nicht mehr."