
Im Jahr 2005 mussten Anleger aus Euroland, die auf den US-Dollar gesetzt haben, erstmals seit drei Jahren keine Kursverluste durch eine Dollarabwertung hinnehmen. Ist dies nun ein Zeichen für eine nachhaltige Trendwende? Was macht der Euro 2006?
ZINSDIFFERENZ UND AUSBLICK
Seit Beginn des Zinserhöhungszyklus in den USA im Jahr 2004 hat die US-Notenbank ihren Leitzins, die "Fed Funds Rate", von 1,00% auf 4,00% angehoben. Gleichzeitig hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Euroleitzins unverändert bei 2,00% belassen. Allerdings dürfte die EZB mit einem ersten Schritt um 25 Basispunkte nach oben ihren Zinsanhebungszyklus auf dem Treffen am 1. Dezember starten. Obwohl sich deren Präsident, Jean-Claude Trichet zuletzt zinsbullisch gab, sollte der Prozess der Geldverknappung in Euroland nicht dem "Automatismus" der Fed folgen. Trichet betont, dass die EZB in Abhängigkeit von den EU-Konjunkturdaten jeden Monat neu entscheiden werde, ob weitere Zinserhöhungen notwendig sind. Da die US-Notenbank mit ihrem neuen Lenker Ben Bernanke vorerst an der Politik der Trippelschritte festhalten und die "Fed Funds Rate" bis maximal 4,75% anheben dürfte, sollte der Spread zwischen den USA und Euroland deutlich bleiben und den US-Dollar stützen.
Auch gegenüber anderen Regionen dürfte der US-Dollar seinen Zinsvorteil in 2006 verteidigen, auch wenn Länder wie Kanada und Norwegen deutlicher aufholen sollten. Grundlage für diesen Vorsprung ist die trotz der Hurrikan-Katastrophen und einem enormen Verschuldungsgrad weiter robust laufende Konjunktur. Wie ist es also um den Wachstumsvorteil der USA bestellt?
Der Anstieg des US-Bruttoinlandsproduktes (BIP) hat den der Eurozone Anfang 2002 überholt. Während das EU-BIP seither jährliche Wachstumsraten zwischen 0,7% und 2,0% gezeigt hat, wuchs das US-BIP in dieser Zeit mit Raten zwischen 1,6% und 4,2% wesentlich schneller. Auch 2006 dürften die USA sich gegenüber Euroland einen Wachstumsvorsprung von etwa 1,5% erhalten. Im Konsens sagen Volkswirte den USA für 2006 ein BIP-Wachstum von 3,6% im Jahresvergleich voraus.
SONDERSITUATION HOMELAND INVESTMENT ACT
Der "Homeland Investment Act" (HIA) ist am 22. Oktober 2004 als Teil des "American Jobs Creation Act" verabschiedet worden. Das Gesetz verspricht Firmen einmalige Steuererleichterungen, wenn sie die im Jahr 2004 oder 2005 im Ausland erwirtschafteten Gewinne in den USA investieren. Anstelle von bis zu 35% wird beim Kapitaltransfer ins Heimatland nur eine reduzierte Steuer von 5,25% fällig. Schätzungen zufolge sorgte das Gesetz für Kapitalrückflüsse in die USA im Volumen von 200-400 Milliarden USD. Bei einem durchschnittlichen Tagesumsatz auf dem Devisenmarkt von 1,9 Billionen USD dürften sich die Gewinnrepatriierungen besonders an Tagen mit einem geringen Handelsvolumen in Dollarstärke niederschlagen.
Der HIA ist auf das Engagement einer Reihe von US-Unternehmen zurückzuführen. Jedoch ergeben sich auch aus Sicht der US-Regierung einige Vorteile. Schließlich entstehen durch die investierten Gewinne neue Arbeitsplätze in den USA. Zudem wirken die Repatriierungen dem US-Leistungsbilanzdefizit entgegen. In seiner aktuellen Fassung gilt das Gesetz bis Ende 2005. Allerdings ist eine Neuauflage durchaus möglich. Kommt diese, sollte eine Ankündigung relativ kurzfristig erfolgen, damit die Firmen ihre Zahlungen nicht auf 2006 verschieben - also ein taktischer Schachzug wie bei der Verlängerung der steuerlichen Förderung von Lebensversicherungen in Deutschland seinerzeit.
DAMOKLES-SCHWERT HAUSHALTSDEFIZIT
Im Jahr 1992 hatte das US-Haushaltsdefizit mit 290 Milliarden USD einen Höhepunkt erreicht. Dieser nicht durch Steueraufkommen gedeckte jährliche Fehlbetrag wurde in den folgenden Jahren zurückgeführt, so dass erstmals 1998 ein Überschuss in Höhe von 69 Milliarden USD verzeichnet werden konnte. Bis 2001 konnte die solide Haushaltspolitik mit einem positiven Saldo beibehalten werden. Ab 2002 ging es allerdings rapide abwärts. 2004 erreichte das US-Haushaltsdefizit einen Rekordstand von 413 Milliarden USD. Zu Beginn des vierten Quartals 2005 zeichnet sich ab, dass es im Gesamtjahr noch einmal um etwa fünf Prozent zulegen dürfte. Die Bush-Administration hat den Bürgern in ihrem letzten Wahlkampf versprochen, das Minus bis zum Ende ihrer Amtszeit 2009 auf 260 Milliarden USD zurückzuführen.
Ein großer Posten auf der Rechnung der USA ist das militärische Engagement im Irak. Schätzungen über dessen jährliche Kosten liegen bei 50-80 Milliarden USD. Wohlgemerkt, dies sind Ausgaben, die über den regulären Verteidigungshaushalt von 380 Milliarden USD (2004) hinausgehen. Für den Wiederaufbau nach den Verwüstungen durch den Hurrikan Katrina in den USA kommen dem Congressional Budget Office (CBO) zufolge 150 Milliarden USD an außerplanmäßigen Ausgaben hinzu. Der Haushaltsentwurf für 2006 sieht derzeit ein Defizit in Höhe von 390 Milliarden USD vor.
LEISTUNSGBILANZ EBENFALLS EIN SORGENKIND
Obwohl der US-Dollar in den drei Jahren bis Ende 2004 um mehr als ein Drittel abgewertet hat, verzeichnete die größte Volkswirtschaft der Welt auch 2005 neue Rekorddefizite im Außenhandel. Die Ausweitung des Minus auf immer neue Hochs geht neben strukturellen Verschiebungen im internationalen Handel (Stichwort: China) auch auf das Konto des hohen Ölpreises. Der Bedarf der USA an ausländischen Gütern und Dienstleistungen ist allerdings auch gewachsen. Die Entwicklung ist kritisch zu sehen. Denn das hohe US-Leistungsbilanzdefizit führt zu einer wachsenden Nettoauslandsverschuldung der USA. Aus dem einstigen Nettogläubiger ist ein internationaler Schuldner mit den Eckdaten einer Bananenrepublik geworden. Der Internationale Währungsfonds (IWF) errechnete Mitte 2005, dass die Nettoauslandsverschuldung der USA rund 2,5 Billionen USD beträgt. Diese Summe entspricht etwa einem Viertel des US-BIP oder dem 2,5-fachen der jährlichen US-Exporte. Die Verbindlichkeiten insgesamt liegen sogar bei 10 Billionen USD.
Es darf stark bezweifelt werden, dass sich 2006 am hohen US-Leistungsbilanzdefizit etwas ändern wird. Erst recht, so lange China den Renminbi (Yuan) nicht weiter aufwertet. Der IWF prognostiziert, dass das US-Leistungsbilanzdefizit 2006 bei über 5,5% des BIP liegen wird. Nach einem Minus von 6,0% des BIP's 2004 rechnen wir bereits für das Jahr 2005 mit einem Fehlbetrag von etwa 780 Milliarden USD bzw. 6,8% des BIP's. Damit ist ein Anstieg der Auslandsverschuldung vorprogrammiert. Irgendwann werden die internationalen Anleger die Finanzierung des US-Konsums verweigern. Wann, das vermag niemand zu sagen. Ein drastischer Kursverfall des US-Dollar wäre jedoch die Folge. Gleichzeitig würden die US-Zinsen in die Höhe schießen und damit die US-Konjunktur abwürgen.
Dieser ökonomische Super-GAU wird seit Jahren kolportiert, ohne sich bislang ernsthaft auf die Finanzierung des US-Leistungsbilanzdefizits auszuwirken. Wichtigstes Argument gegen eine harte Landung im Zusammenhang mit dem US-Leistungsbilanzdefizit ist, dass die Gläubiger der USA, dies sind allen voran China und Japan, naturgemäß kein Interesse an einem Kursverfall des US-Dollar haben, weil dann ihre immensen Dollarreserven drastisch an Wert verlieren würden. Zudem sind die Finanzmärkte in den USA die weltweit größten und liquidesten. Dies macht Wertpapiere aller Couleur attraktiv im internationalen Vergleich. So lange die US-Konjunktur zudem stabil wächst, dürfte es nicht zu einer solchen Kettenreaktion kommen. Trotzdem stellt das US-Leistungsbilanzdefizit einen Belastungsfaktor dar und spricht klar für ein Euro-Comeback.
ROHSTOFFE BELIBEN TEUER
Der Anstieg des Rohölpreises auf immer neue Rekordstände hat den US-Dollar 2005 entgegen der historischen Entwicklung nicht belastet. Auch 2006 dürften die Rohstoffpreise hoch bleiben, wenngleich eine Verschiebung hin zu den Edelmetallen - vor allem Gold - zu beobachten sein sollte. Ursache ist die anhaltende Nachfrage aus Boom-Ländern wie China und Indien. Euro und Yen leiden aus zwei Gründen nicht so sehr unter dem hohen Ölpreis wie der US-Dollar. Erstens benötigen sowohl Japan als auch der Euroraum weniger von dem schwarzen Gold je Einheit des erwirtschafteten BIP. Will heißen: Das Öl wird effizienter genutzt. Zweitens werden die Öllieferungen in US-Dollar abgerechnet. Die mit dem höheren Ölpreis steigenden Einnahmen der Erdöl exportierenden Länder werden jedoch von diesen diversifiziert investiert. Eine Umschichtung der Devisenreserven zu Lasten des US-Dollar findet demnach nicht nur in China statt, sondern auch bei Staaten des Nahen Ostens. Daher lässt sich, in den letzten Jahren sogar verstärkt, eine hohe negative Korrelation zwischen Öl und US-Dollar ausmachen.
Historisch korrelieren die Kursänderungen bei EUR/USD positiv mit den Änderungen beim Öl- und Goldpreis. Seitdem der Goldstandard im Jahr 1973 aufgegeben wurde, hat sich der Goldpreis zum US-Dollar wie eine "harte Währung" im Sinne eines sicheren Hafens verhalten. Während Gold in Zeiten geo- und wirtschaftspolitischer Krisen gefragt ist, wird der US-Dollar als prozyklische Währung verkauft. Dafür gewinnt der Dollar in ökonomischen Boomphasen an Wert. Auffällig ist, dass der Goldpreis im Jahr 2005 auf über 500 USD je Feinunze zulegen konnte, obwohl der EUR/USD-Kurs deutlich nachgegeben hat. In Anbetracht der Korrelation sollte diese Divergenz bald aufgelöst werden. Dazu müsste entweder Goldpreis sinken oder der US-Dollar gegenüber dem Euro nachgeben.
Rolf Schlausch FXresearch Tel.: +49 (0) 2151-6500 50 FXdirekt Bank AG www.fxdirekt.de
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