Frieden schaffen mit Waffen Deutschland ist bereit, die Uno-Mission im Kongo zu führen. Das Engagement ist dennoch zu gering - und die EU-Partner zieren sich weiter. Aber Europa kann sich ein Scheitern nicht leisten Von Andrzej Rybak Europa zaudert, Europa kneift. Zögerlich hat Deutschland sich jetzt bereit erklärt, einen militärischen Einsatz im Kongo zu führen, um die Wahlen zu sichern, die dort im Juni stattfinden. Und noch zögerlicher sind die anderen EU-Staaten, wenn es nun darum geht, die Deutschen bei der Mission mit Soldaten zu unterstützen. Seit Monaten streiten die europäischen Verteidigungsminister wie auf einem orientalischen Basar über die Größe der Kontingente. Der Einsatz verkommt bei dem Geschacher zur Farce. Immer wieder werden die Truppenzahlen zurückgeschraubt. Heute geht es nur noch um etwa 1000 Soldaten, die in der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa nach dem Rechten sehen sollen. Ein Kontingent dieser Größe kann in einer afrikanischen Metropole mit acht Millionen Einwohnern höchstens den Flughafen und ein paar ausländische Einrichtungen sichern. Es wird immer offensichtlicher, dass die EU-Soldaten nur weiße Ausländer evakuieren würden, sollte es nach der Wahl Unruhen geben. Kein EU-Land will das Leben seiner Soldaten riskieren. Sterben für den Kongo? Nein Danke. Diese Einstellung ist einerseits nachvollziehbar. Darf man aber andererseits dem Morden in Afrika immer wieder tatenlos zusehen? Hat sich der freiheitsliebende Westen nach dem Holocaust nicht verpflichtet, Völkermord zu unterbinden? Unterstützung für Kleptokraten Europa hat 1994 zugeschaut, wie in Ruanda 800 000 Menschen abgeschlachtet wurden. Dieser Genozid löste die Bürgerkriege im Kongo aus, bei denen Millionen starben. Zuvor hatte Europa das kleptokratische Regime von Mobutu Sese Seko unterstützt, der 10 bis 20 Mrd. $ an kongolesischem Vermögen auf seine Auslandskonten schaffte. Heute ist es Europas Pflicht, dem Land zu helfen, denn der Kongo steht an einem Wendepunkt: Die Wahlen, die es zu sichern gilt, können ein Schritt zu mehr Stabilität sein - sie können das Land aber auch wieder ins Chaos stürzen. Es geht darum, Wahlbetrug zu verhindern. Und vor allem darum, dass die Verlierer nicht mit Waffen den Sieg einklagen. Das hat im Kongo Tradition: Seit der Unabhängigkeit von Belgien hat sich noch jeder Herrscher blutig an die Macht geputscht. Die Uno, die im Kongo mit 17 000 Soldaten ihre größte militärische Mission unterhält, fleht die EU schon seit Monaten an, Unterstützung zu schicken. Denn nur durch starke militärische Präsenz kann die Situation unter Kontrolle gehalten werden. Wie es geht, haben die Briten in Sierra Leone demonstriert: Dort haben mehrere Tausend britische Soldaten und 13 000 Uno-Blauhelme vor fünf Jahren den langjährigen Bürgerkrieg beendet. Sierra Leone ist ein kleines Land mit 5 Millionen Einwohnern, Kongo dagegen ist halb so groß wie Europa und zählt 60 Millionen Menschen. 1000 EU-Soldaten sind da lächerlich. Europa sollte aus den Friedensmissionen der jüngsten Vergangenheit lernen. Auch der aktuelle Uno-Einsatz in Ost-Kongo (Monuc) ist zu halbherzig, um Erfolg zu haben. Immer wieder flammt der Bürgerkrieg auf. Die Monuc-Soldaten, die aus den ärmsten Ländern der Welt kommen, sind miserabel bewaffnet, sprechen kein Französisch. Wenn sie in einen Hinterhalt gelockt werden, sind sie auf sich gestellt, denn Unterstützung aus der Luft gibt es kaum. Im Übrigen sorgt der Rest der Welt dafür, dass der Bürgerkrieg im Kongo noch angeheizt wird: In Handys und i-Pods wird das seltene Material Koltan verarbeitet, das im Kongo gefördert wird. Während der Westen auf Lizenzierung des Edelsteinhandels pocht, um den Export von ?Blutdiamanten? aus Bürgerkriegsgebieten zu verhindern, schert sich niemand darum, woher das Koltan stammt - und wohin die Einnahmen fließen. Dabei ist bekannt: Jede Rebellengruppe im Kongo kontrolliert Minen, wo sie die Zivilbevölkerung zu Sklavenarbeit zwingt. Mit den Einnahmen werden Waffen gekauft. Frieden zu schaffen in einem Land, wo alle staatlichen Strukturen zerstört wurden, ist schwer. Hilflose Helfer Im Kongo, den Joseph Conrad als Herz der Finsternis bezeichnete, kann kaum jemand noch unterscheiden, wer Freund und wer Feind ist. Dutzende von Warlords tummeln sich im Land. Die kongolesische Armee ist ein wilder Haufen undisziplinierter und ausgehungerter Soldaten, die immer wieder selbst rauben und vergewaltigen. Die Monuc schaut dabei oft zu, weil die Truppe nicht stark genug ist, die Verbrechen zu verhindern. Europa muss mehr tun. Nicht nur im Kongo, in ganz Afrika. Der schwarze Kontinent ist unser Hinterhof. Dort sind auch die Ressourcen zu finden, die wir in Zukunft für unsere eigene wirtschaftliche Entwicklung brauchen. Die Chinesen haben das erkannt, sie kämpfen in Afrika schon längst um Öl-Lizenzen, bauen Straßen und Eisenbahnlinien. Die EU kann es sich nicht erlauben, im Kongo zu scheitern. Deswegen muss sie klotzen, nicht kleckern: Nicht 1000 Soldaten müssen nach Kongo, sondern 10 000 oder mehr. Europa sollte nicht einfach nur einen Einsatz vortäuschen, um sein Gewissen zu beruhigen. Dann schon lieber ehrlich zugeben: Unsere Werte und Prinzipien gelten in Europa. Afrika geht uns nichts an.
Kontakt: Kommentar@ftd.de
Ines Zöttl - 030/22074169
Horst von Buttlar - 040/31990236
Leo Klimm - 040/31990311
Dies ist eine Pressestimme der Financial Times Deutschland. Für Text und Inhalt ist ausschließlich die Financial Times Deutschland verantwortlich. Die geäußerten Ansichten reflektieren auch nicht die Ansichten von Dow Jones Newswires oder der Dow Jones and Company Inc.
Kontakt: Kommentar@ftd.de
Ines Zöttl - 030/22074169
Horst von Buttlar - 040/31990236
Leo Klimm - 040/31990311
Dies ist eine Pressestimme der Financial Times Deutschland. Für Text und Inhalt ist ausschließlich die Financial Times Deutschland verantwortlich. Die geäußerten Ansichten reflektieren auch nicht die Ansichten von Dow Jones Newswires oder der Dow Jones and Company Inc.
© 2006 Dow Jones News