
Ausländische Stromkonzerne drohen einem Pressebericht zufolge damit, ihre Kraftwerkprojekte in Deutschland stillzulegen, falls sie vom Bundesumweltministerium nicht ausreichend mit Emissionszertifikaten für Kohlendioxid ausgestattet werden. Das berichtet die in Berlin erscheinende Tageszeitung "Die WELT" in ihrer Donnerstagsausgabe. Nur wenige Tage nach dem Energiegipfel im Bundeskanzleramt und der Ankündigung eines Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission drohe dem Wettbewerb auf dem deutschen Strommarkt damit ein herber Rückschlag. Nach Informationen der "WELT" geht es um einen drohenden Baustop bei bis zu zehn hocheffizienten Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerken (GuD) mit einer Gesamtkapazität von bis zu 10(000 Megawatt.
"Ausgerechnet die umweltfreundlichste Kraftwerkstechnologie läuft Gefahr, bei der Zuteilung von CO2-Zertifikaten unter die Räder zu kommen", sagte Helge Beil, Geschäftsführer von Statkraft Markets GmbH im Gespräch mit der "WELT". Die Tochterfirma des größten norwegischen Energiekonzerns plant in Deutschland den Bau zweier GuD-Kraftwerke in Hürth-Knappsack und bei Herdecke. Weil das Umweltministerium die Anlagen jedoch offenbar schlechter mit Verschmutzungsrechten ausstatten will als konkurrierende Kohlekraftwerke, sind die Projekte akut gefährdet, sagte Beil: "Wenn die Ministerien bei diesen Zuteilungsplänen bleiben, ist der deutsche Markt für uns tot."
Bundesumwelt- und Wirtschaftsministerium stimmen zur Zeit ab, wieviel Kohlendioxid die deutschen Kraftwerke im Rahmen des europäischen Emissionshandels zwischen 2008 und 2012 ausstoßen dürfen. Daraus wird ein „Nationaler Allokationsplan“ (NAP 2) erstellt, der im Juni in Brüssel eingereicht werden muß. Nach bisherigen Informationen von Statkraft sollen GuD-Kraftwerke dabei generell als „Spitzenlast-Kraftwerke“ behandelt werden, die nur 2000 bis 3000 Stunden pro Jahr am Netz sind und entsprechend wenig Emissionszertifikate erhalten. Neue Kohlekraftwerke hingegen gelten als „Vollast-Kraftwerke“, die genug Zertifikate für 7500 Stunden Stromproduktion pro Jahr bekommen sollen.
Statkraft kritisierte, daß diese Zuteilungsschlüssel von falschen Voraussetzungen ausgehe: Die meisten GuD-Anlagen würden heute ebenfalls als "Grundlast-Kraftwerke" mit mehr als 7500 Betriebsstunden pro Jahr eingesetzt. In Konkurrenz zu Kohlekraftwerken hätten sie allerdings mit der drohenden Minderausstattung an CO2-Zertifikaten keine Chance mehr. Die Gaskraftwerke der etablierten Stromkonzerne seien nicht betroffen, da sie von einer besonderen "Übertragungsregel" im Emissionshandel profitierten./sk
AXC0004 2006-04-06/05:38