
Börsenfusion
Schwindende Chance
Nach dem Übernahmeangebot der New York Stock Exchange (Nyse) für die Vierländerbörse Euronext scheint eine große Chance in weite Ferne gerückt: Die Chance auf eine Fusion der Deutschen Börse mit Euronext zu einem großen europäischen Handelsplatz.
So bedauerlich es wäre, wenn die europäische Superbörse nach der Annäherung der vergangenen Monate doch nicht entsteht - das Überleben der Deutschen Börse hängt von der Fusion nicht ab. Selbst im Konkurrenzkampf mit künftig gleich zwei transatlantischen Börsen wären die Frankfurter strategisch noch immer gut aufgestellt: Neben dem Kassamarkt verfügt die Deutsche Börse über eine bedeutende Terminhandelssparte und mit Clearstream über einen Wertpapierabwickler. Schnappt die Nyse der Deutschen Börse Euronext weg, ginge ihr damit eine interessante Option zur Entwicklung des Unternehmens verloren. Sie könnte aber dennoch im Terminhandel wachsen oder kleinere europäische Handelsplätze an sich binden.
Deshalb argumentiert die Deutsche Börse gegenüber Euronext auch jetzt noch aus einer Position der Stärke heraus - was die Pariser Börse trotz einiger Zugeständnisse zu spüren bekommt. Euronext wiederum zeigt sich ohnehin nicht sonderlich bindungswillig und versucht einen möglichen Zusammenschluss zumindest hinauszuzögern.
Doch mit ihrer Hartleibigkeit drohen Deutsche Börse und Euronext, die Gelegenheit zur Schaffung eines einheitlichen Handelsplatzes für große Teile der Eurozone zu vergeben - eines Handelsplatzes mit einheitlicher Währung, einheitlicher technischer Plattform und einheitlichen regulatorischen Rahmenbedingungen.
Vor allem Euronext sollte daran Interesse haben, denn die Pariser Börse würde durch die Probleme einer transatlantischen Übernahme einige Zeit lahm gelegt: Zum einen hat die Nyse noch nicht ihre Fusion mit Archipelago verdaut. Zum anderen dürften regulatorische Fragen den europäisch-amerikanischen Bund verkomplizieren: US-Börsen werden anders und strenger reguliert.
All das bedeutet nicht, dass die Deutsche Börse sich auf eine Preisschlacht einlassen sollte, wie sie nach dem Nyse-Angebot droht. Und dass sich der höhere Börsenwert der Frankfurter Börse in einer Fusionsvereinbarung niederschlagen muss, ist auch klar.
Im Detail gibt es aber durchaus Raum für Zugeständnisse an die Franzosen, zum Beispiel bei der Besetzung von Management und Aufsichtsrat. Das Zaudern auf beiden Seiten lässt allerdings den Schluss zu, dass weder Deutsche Börse noch Euronext wirklich interessiert an einer Fusion sind. Das könnte sich rächen. Für den Finanzplatz Europa ist das Zaudern in jedem Fall schädlich.
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