Angesichts der Sparbemühungen der großen Koalition im Gesundheitswesen warnt CSU-Vize Horst Seehofer vor zusätzlichen Belastungen für die Bürger. Deren Geduld sei am Ende, sagte der Agrarminister der "Wirtschaftswoche". "Sie werden keine weiteren Belastungen mehr hinnehmen ohne grundlegende Strukturreformen." CDU- Generalsekretär Ronald Pofalla forderte vor der Koalitionsrunde in Berlin erhebliche Einsparungen im Gesundheitswesen.
Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) wollte den Spitzen der großen Koalition am Sonntagabend erste Zwischenergebnisse der Arbeitsgruppe Gesundheitsreform vorstellen. Diese wollte bislang Einsparmöglichkeiten durchforsten und sich später auf die Finanzierung konzentrieren.
Seehofer forderte eine freie Auswahl auch zwischen gesetzlichen und privaten Krankenkassen. Zwischen Pharmafirmen und Kassen sollten Preisverhandlungen möglich sein. Noch werde Geld verheizt. Für eine Festschreibung des Arbeitgeber-Anteils sieht der Minister Chancen.
Pofalla sagte "Bild am Sonntag", es sei klar, dass "wir das Gesundheitssystem nicht weiter mit Milliarden von Steuergeldern bezuschussen können und dass die Kassenbeiträge nicht steigen dürfen". Im Gesundheitssystem müsse eisern gespart werden.
Der Ärzteverband Hartmannbund forderte Pofalla auf, Stellungnahmen hierzu den Experten zu überlassen. Der CDU-Politiker bewege sich "gesundheitspolitisch offenbar seit Jahren im Tal der Ahnungslosen", erklärte der Hartmannbund-Vorsitzende Kuno Winn am Sonntag in Berlin.
Nach Angaben des Magazins "Focus" erwägt die Koalition einen pauschalen Arbeitgeberbeitrag für die gesetzliche und die private Krankenversicherung, unabhängig von Krankenkasse und tatsächlichem Versicherungsbeitrag. Der Zuschuss von rund 150 Euro solle in einen Fonds fließen. Das Gesundheitsministerium wies den Bericht zurück. "Über Finanzierungsfragen ist noch nicht gesprochen worden." Derzeit zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Versicherung je zur Hälfte. Die angekündigten Preissenkungen für Generika-Nachahmermedikamente zeigten, dass es im Pharmabereich noch finanziellen Spielraum gebe.
Der Koalitionsausschuss wollte auch über den Zeitplan der Gesundheitsreform beraten. Mit Eckpunkten rechnet die Bundesregierung voraussichtlich bis zu den Sommerferien des Bundestages. Die Arbeitsgruppe plant nach Angaben der Berliner Tageszeitung "B.Z." unter anderem eine Versicherungspflicht für alle, eine höhere Beitragsbemessungsgrenze, die Einführung eines Versorgungsausgleichs privater Kassen für die gesetzlichen sowie die gleiche Vergütung ärztlicher Leistungen bei gesetzlichen und privaten Kassen.
Grünen-Chef Reinhard Bütikofer sagte der dpa am Sonntag, seines Wissens habe sich die Koalition schon verständigt, die Apothekenlobby und die niedergelassenen Ärzte zu schonen. Auch künftig solle ein Apotheker nur einen Betrieb besitzen dürfen. Die Einschränkungen der Kliniken im ambulanten Bereich blieben bestehen. Damit verzichte die Koalition auf ein Einsparvolumen von mehr als fünf Milliarden Euro. Angesichts explodierender Kosten sei dies "völlig inakzeptabel"./vr/ru/DP/zb
AXC0017 2006-05-28/15:23