Deutsche Raubtiere Der Ball rollt, und fast ebenso sehr wie die Zahl der Tore treibt viele in Deutschland um, welchen Eindruck die Gäste bekommen werden. Wird es das Bild eines weltoffenen, freundlichen, fröhlichen Gastgeberlandes sein? Der Kampf aber, der Deutschlands Image nachhaltig verändern könnte, findet derzeit abseits der Fußballstadien statt: Die Schlacht von Merck und Bayer um Schering zeichnet ein Bild, das mit dem tradierten der Deutschland AG nichts mehr gemein hat. Man könnte es als Raubtierkapitalismus beschreiben: rücksichtslos, hungrig, blutig. Angemessener ist eine rationalere Sicht: Deutsche Firmen haben die Spielregeln des internationalen Finanzmarktes verstanden und spielen ganz vorne mit. Die aggressive Merck-Offensive kann helfen, noch bestehende Vorurteile ausländischer Investoren über das Deutschland des Konsenses und Korporatismus zu überwinden. Dem Finanzstandort kann das nur nutzen. Eine ganz andere Frage ist, ob das Unternehmen Merck von seiner Attacke am Ende wirklich profitiert. Das scheint zweifelhaft. Zumindest geht das Familienunternehmen ein hohes Risiko ein. Statt nach der ersten Runde im Bietergefecht um Schering nachzugeben, hat Merck höchst ungewöhnlich reagiert: Still kaufte der Pharmakonzern 18,6 Prozent der Schering-Aktien an der Börse auf. Damit ist es wahrscheinlich, dass die Bayer-Offerte erst mal scheitert, weil das notwendige Quorum von 75 Prozent Zustimmung nicht erreichbar ist. Doch was dann? Geht es Merck nur darum, das Geschäft für Bayer zu verteuern oder dem Konkurrenten einen Stachel ins Fleisch zu treiben, wäre dies für die eigenen Aktionäre ein sehr teurer Rachefeldzug. Rund 86 E muss Merck derzeit am Markt für jede Schering-Aktie bezahlen, weit mehr als die ursprünglich gebotenen 77 E. Dieses Kapital muss aufgebracht und finanziert werden. Kaum vorstellbar, dass Merck lediglich ein wenig an der Börse zocken will, um später satte Kursgewinne einzustreichen. Hofft Merck also tatsächlich, bei Schering doch zum Zuge zu kommen, indem es dem Widersacher den Spaß an der Sache verleidet? Dann hätte es sich möglicherweise besser von Anfang an auf einen Bieterwettlauf eingelassen, den es zunächst als zu kostspielig ablehnte. Denn selbst wenn die Fusion nach einem erbitterten Wettstreit zustande kommt, wäre die Integration beider Firmen wohl umso schwieriger. Bisher erschließt sich der Sinn der Attacke also nicht, Merck selbst schweigt über seine Ziele und Strategie. Doch möglicherweise hat es ja einen Trumpf in der Hand, den bisher weder die Zuschauer noch der Gegner kennen. Noch läuft das Spiel. Und wie beim Fußball wird man erst nach Abpfiff sagen können, ob die Taktik etwas taugte.
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Ines Zöttl - 030/22074169
Leo Klimm - 040/31990311
Christian Schütte - 030/22074169
Dies ist eine Pressestimme der Financial Times Deutschland. Für Text und Inhalt ist ausschließlich die Financial Times Deutschland verantwortlich. Die geäußerten Ansichten reflektieren auch nicht die Ansichten von Dow Jones Newswires oder der Dow Jones and Company Inc.
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