Die Deutsche Börse
Die Zentralfunktionen würden im Falle eines Zusammenschlusses "auf Amsterdam, Frankfurt und Paris" verteilt, teilte die Deutsche Börse mit. Frankfurt wird damit erstmals nicht mehr als Hauptverwaltung genannt. Das in Paris ansässige Management von Euronext - der rechtliche Sitz der Mehrländerbörse ist Amsterdam - hatte mehrfach Bedenken gegenüber einer übergeordneten Rolle des deutschen Finanzzentrums nach einer Fusion geäußert.
ERHÖHUNG DER BARKOMPONENTE WAR ERWARTET WORDEN
Ein neues finanzielles Angebot - es war eine Erhöhung der
Barkomponente erwartet worden - unterbreitete die Börse nicht.
"Aufgrund der jüngsten Entwicklung der Aktienkurse ist die relative
Attraktivität des Deutsche-Börse-Vorschlags deutlich gestiegen",
teilten die Frankfurter mit. "Im Rahmen der von der Deutsche Börse
vorgeschlagenen finanziellen Konditionen wurde jede Euronext-Aktie
am 16. Juni 2006 mit 65,99 Euro bewertet, gegenüber einem Wert von
65,67 Euro pro Euronext-Aktie im Rahmen der Offerte der NYSE
Die Deutsche Börse erwägt derzeit entgegen einem anders lautenden Agenturbericht kein höheres Übernahmeangebot für Euronext, um den US-Konkurrenten NYSE im Bieterwettkampf auszustechen. "Angesichts der attraktiven Offerte der Deutschen Börse für Euronext-Aktionäre ist jegliche Diskussion über eine Änderung der finanziellen Kennziffern kein Thema", sagte Aufsichtsratschef Kurt Viermetz am späten Abend. Damit dementiere er eine Aussage, die ihm von einer Nachrichtenagentur zugeschrieben worden sei. Marktbeobachter schließen derweil nicht aus, dass die Deutsche Börse ihr Angebot beziehungsweise die darin enthaltene Barkomponente für den europäischen Konkurrenten doch noch in der nächsten Zeit erhöhen könnte.
Euronext und NYSE hatten sich Anfang Juni auf einen Zusammenschluss geeinigt. Die Frankfurter blieben aber hartnäckig. Die Deutsche Börse bietet der Euronext nach bisherigen Angaben zwar einen höheren Gesamtbetrag (8,6 Mrd Euro), aber die Barkomponente ist mit zehn Prozent niedriger als die der NYSE. Das Angebot der rivalisierenden New Yorker Börse von insgesamt 8 Milliarden Euro hat einen Baranteil von 30 Prozent.
NEUER MARKENNAMEN
Der künftige Vorstand und Aufsichtsrat des fusionierten Unternehmens soll jeweils zur Hälfte mit Euronext- und Deutsche-Börse-Vertretern besetzt werden, obwohl das deutsche Unternehmen das deutlich größere ist. Den Vorstandschef würde die Deutsche Börse stellen, den Vorsitzenden des Kontrollgremiums Euronext. Die neu zu gründende Konzernobergesellschaft solle ihren Sitz in den Niederlanden haben und unter einem neuen Markennamen auftreten.
Besonders von französischer Seite wächst der Druck für eine Fusion der Euronext mit der Deutschen Börse und damit einen riesigen kontinentaleuropäischen Handelsplatz. Die Frankfurter gaben außerdem bekannt, eine Partnerschaft mit dem italienischen Wettbewerber Borsa Italiana anzustreben. Die neue Unternehmensgruppe mit ihrem föderalen Konzept wäre der "natürliche" Kern für eine weitere europäische Konsolidierung in der Branche. "Insbesondere hofft die Deutsche Börse, die Borsa Italiana kurzfristig als weiteren Partner zu gewinnen." An dem italienischen Börsenbetreiber ist auch die Euronext interessiert.
Der neue, aus der Deutschen Börse und Euronext entstandene Börsenkonzern solle "auf dem Konzept des föderalen Kollegiums der Regulierungsbehörden" fußen, das Euronext bereits praktiziere, heißt es in dem neuen Angebot der Deutschen Börse. Der Aktienhandel werde in Paris, die Terminbörse in Frankfurt und London angesiedelt.
NYSE MIT WEITERER OPTION
Die NYSE hatte am Montag im Poker um die Zusammenschlüsse der
internationalen Wertpapierbörsen eine weitere Option ins Spiel
gebracht. Nach der geplanten Übernahme von Euronext erwäge die NYSE
auch eine Expansion nach London, sagte deren Vorstandschef John
Thain der "Financial Times" (Montag). Denkbar sei eine Neugründung
oder aber auch eine Übernahme der London Stock Exchange (LSE)
In Frankreich wurde erneut Kritik an den Plänen der New Yorker laut. "Ich kann mich nicht damit abfinden, dass die französische Börse, genauer die von Amsterdam, Brüssel, Lissabon und Paris gebildete paneuropäische Börse, unter die Kontrolle der New York Stock Exchange fallen könnte", sagte der Präsident des Finanzausschusses des Senats, Jean Arthuis, in Paris. Der Vorstoß von NYSE-Chef Thain in Richtung London wurde zudem in Finanzkreisen als Affront gegen französische Interessen gewertet und dürfte deren Ablehnung einer transatlantischen Fusion daher noch verschärfen.
HINTERGRUND
Hintergrund der Fusionspläne ist der Wunsch der selbst börsennotierten Börsenkonzerne, mehr Geschäfte auf einer einzigen elektronischen Plattform abzuwickeln, um damit die Gewinne zu steigern. Die Deutsche Börse ist offenbar bereit zum Verzicht auf ihr elektronisches Handelssystem Xetra. "In Abstimmung mit den Kunden würde die neue Unternehmensgruppe die Handelsinfrastruktur weiter vereinfachen durch die Einführung von NSC (Euronext) als gemeinsame Aktienhandelsplattform und Eurex als gemeinsame Terminhandelsplattform", hieß es.
Börsen haben typischerweise einen hohen Anteil von Fixkosten und profitieren daher unmittelbar von höheren Volumina. Grenzübergreifende Zusammenschlüsse könnten außerdem die Transaktionskosten in der Abwicklung senken, was auch im Interesse von Banken und anderen Wertpapierhändlern liegt. Seit fast zwei Jahren löst ein Fusionsszenario das andere ab, konkret ist während dieser Zeit jedoch gar nichts passiert./sbi/DP/
ISIN DE0005810055 NL0000241511 US62949W1036 GB00B0SWJX34 US6311031081
AXC0132 2006-06-19/23:33