Von Matthias Krust
Dow Jones Newswires
PORTLAND/STUTTGART (Dow Jones)--Die DaimlerChrysler AG hat einen US-Rechtsstreit gegen die MAN AG im Zusammenhang mit dem Kauf des britischen Nutzfahrzeuganbieters ERF in erster Instanz verloren und muss eine Strafe von 350 Mio USD bezahlen. Die zwölfköpfige Jury eines Bezirksgerichts in Oregon fand die in den USA ansässige Daimler-Nutzfahrzeugtochter Freightliner Llc am Freitag für schuldig, "in betrügerischer Absicht" Vermögenswerte aus dem Unternehmen transferiert zu haben. Das Unternehmen habe damit die Zahlung von Schadenersatz aus einem früheren Urteil umgehen wollen, befanden die Geschworenen.
Die US-Geschworenen bestätigten damit ein Urteil aus einem laufenden Londoner Rechtsverfahren: DaimlerChrysler solle mindestens die bisher festgelegte Schadenersatzsumme oder mehr zahlen. MAN verlangt insgesamt 300 Mio GBP. Die Entscheidung der Jury muss im kommenden Jahr noch von einem US-Richter bestätigt werden. Die Strafe ist bei weitem die höchste, die ein Gericht im Multnomah County jemals ausgesprochen hat. Bisher war dies eine Zahlung von 150 Mio USD gegen den Tabak-Konzern Philip Morris aus dem Jahr 2002 gewesen. Die 350 Mio USD verteilen sich auf Freightliner mit 70 Mio USD und die DaimlerChrysler North American Holding Corp mit 280 Mio EUR.
Der deutsch-amerikanische Automobilhersteller weist die erhobenen Vorwürfe weiter zurück: "Freightliner hat zu keiner Zeit versucht, Vermögenswerte vor MAN zu verstecken. Wir werden vehement Einspruch gegen dieses Urteil erheben und sind zuversichtlich, letztendlich erfolgreich beweisen zu können, dass es absolut kein Fehlverhalten seitens Freightliner gab," sagte eine Unternehmenssprecherin am Samstag auf Nachfrage von Dow Jones Newswires. Bei der MAN AG begrüßte man die Entscheidung der US-Jury: "Wir fühlen uns in unserer Rechtsauffassung bestätigt", sagte ein MAN-Sprecher am Samstag zu Dow Jones Newswires.
Das Londoner Handelsgericht hatte DaimlerChrysler bereits im Dezember 2005 in erster Instanz zu einem vorläufigen Schadenersatz von mindestens 250 Mio GBP verurteilt. Der Münchner Nutzfahrzeug- und Maschinenbaukonzern hatte dort wegen Bilanzbetrugs beim britischen Lkw-Hersteller ERF geklagt. MAN hatte ERF im Jahr 2000 von der kanadischen Western Star übernommen, die ihrerseits später von der Daimler-Nutzfahrzeugtochter Freightliner gekauft worden war. Zwar fiel die Bilanzfälschung in die Zeit vor dem DaimlerChrysler-Einstieg, dennoch fand der Londoner High Court, dass der Stuttgarter Konzern als Rechtsnachfolger dafür verantwortlich ist. DaimlerChrysler hat gegen das Londoner Urteil Revision eingelegt. Eine endgültige Entscheidung in dem Verfahren ist erst im Laufe des nächsten Jahres zu erwarten.
Nach der ERF-Übernahme hatte MAN entdeckt, dass die Bilanzen von ERF gefälscht waren und DaimlerChrysler als auf Schadensersatz verklagt. Der Stuttgarter Automobilhersteller hatte gegen Ende des Jahres 2000 unter dem damaligen Nutzfahrzeugvorstand und heutigen Vorstandsvorsitzenden Dieter Zetsche Western Star erworben und auf die kanadische Tochtergesellschaft Freightliner Ltd verschmolzen.
Im Laufe des Gerichtsverfahrens in London hatte MAN den Verdacht, dass das verklagte kanadischen Tochterunternehmen Freightliner Ltd den Schadenersatz nicht bezahlen kann und deshalb eine weitere Klage in den USA eingereicht. In der neuen Anklage warfen die Münchner DaimlerChrysler vor, Assets zur US-Muttergesellschaft Freightliner Llc verlagert und die kanadische Tochter in eine Hülle mit keinen verwertbaren Gegenständen verwandelt zu haben.
DaimlerChrysler hatte sich zuvor mit Blick auf das laufende Verfahren nicht geäußert. Im Geschäftsbericht für 2005 räumt das Unternehmen allerdings ein, dass der vorläufige Schadenersatz von 250 Mio GBP "bei weitem die Netto-Vermögenswerte von Freightliner Ltd" übersteigt. Noch im Jahr vor der Übernahme hatte Western Star über vier Lkw- bzw Bus-Werke verfügt, in denen insgesamt fast 7.200 Lkw und 800 Busse vom Band liefen und so für einen Umsatz von rund 820 Mio EUR sorgten.
Während die Produktion komplett in die Organisation der Muttergesellschaft Freightliner Llc integriert wurde, fungiert der Rechtsnachfolger von Western Star, die Freightliner Ltd mittlerweile nur noch als reine Vertriebsgesellschaft für den kanadischen Markt. Zu erreichen ist die Gesellschaft unter der Adresse der Anwaltskanzlei Osler im kanadischen Calgary. Diese Maßnahmen fielen in die Amtszeit von Rainer Schmückle, der von Mai 2001 bis April 2005 President und CEO von Freightliner war und zurzeit Chief Operating Officer der Mercedes Car Group (MCG) ist.
DaimlerChrysler hat früheren Aussagen zufolge bisher keine Rückstellungen für einen möglicherweise zu zahlenden Schadenersatz gebildet. Lediglich zu erwartenden Anwalts- und Prozesskosten seien verbucht worden. Auch bei MAN wurden mit Blick auf die Revision die Forderungen noch nicht berücksichtigt. Im Frühjahr 2006 hatten Verhandlungen von DaimlerChrysler und MAN um einen außergerichtlichen Vergleich zu keinem Ergebnis geführt. Die Vorstellungen lagen zu weit auseinander, wie Dow Jones Newswires damals exklusiv berichtet hatte.
Im vergangenen Jahr hatte die Truck Group des deutschen Konzerns bei einem Umsatz von 30,368 Mrd EUR einen operativen Gewinn von 1,6 Mrd EUR erzielt. Der Gewinn soll im laufenden Jahr deutlich übertroffen werden.
Webseite: http://www.daimlerchrysler.de
http://www.man.de
-Von Matthias Krust, Dow Jones Newswires, +49 (0)711 22874 12,
matthias.krust@dowjones.com
(Die Associated Press steuerte Teile zu dieser Meldung bei.)
DJG/mtk/kgb
Dow Jones Newswires
PORTLAND/STUTTGART (Dow Jones)--Die DaimlerChrysler AG hat einen US-Rechtsstreit gegen die MAN AG im Zusammenhang mit dem Kauf des britischen Nutzfahrzeuganbieters ERF in erster Instanz verloren und muss eine Strafe von 350 Mio USD bezahlen. Die zwölfköpfige Jury eines Bezirksgerichts in Oregon fand die in den USA ansässige Daimler-Nutzfahrzeugtochter Freightliner Llc am Freitag für schuldig, "in betrügerischer Absicht" Vermögenswerte aus dem Unternehmen transferiert zu haben. Das Unternehmen habe damit die Zahlung von Schadenersatz aus einem früheren Urteil umgehen wollen, befanden die Geschworenen.
Die US-Geschworenen bestätigten damit ein Urteil aus einem laufenden Londoner Rechtsverfahren: DaimlerChrysler solle mindestens die bisher festgelegte Schadenersatzsumme oder mehr zahlen. MAN verlangt insgesamt 300 Mio GBP. Die Entscheidung der Jury muss im kommenden Jahr noch von einem US-Richter bestätigt werden. Die Strafe ist bei weitem die höchste, die ein Gericht im Multnomah County jemals ausgesprochen hat. Bisher war dies eine Zahlung von 150 Mio USD gegen den Tabak-Konzern Philip Morris aus dem Jahr 2002 gewesen. Die 350 Mio USD verteilen sich auf Freightliner mit 70 Mio USD und die DaimlerChrysler North American Holding Corp mit 280 Mio EUR.
Der deutsch-amerikanische Automobilhersteller weist die erhobenen Vorwürfe weiter zurück: "Freightliner hat zu keiner Zeit versucht, Vermögenswerte vor MAN zu verstecken. Wir werden vehement Einspruch gegen dieses Urteil erheben und sind zuversichtlich, letztendlich erfolgreich beweisen zu können, dass es absolut kein Fehlverhalten seitens Freightliner gab," sagte eine Unternehmenssprecherin am Samstag auf Nachfrage von Dow Jones Newswires. Bei der MAN AG begrüßte man die Entscheidung der US-Jury: "Wir fühlen uns in unserer Rechtsauffassung bestätigt", sagte ein MAN-Sprecher am Samstag zu Dow Jones Newswires.
Das Londoner Handelsgericht hatte DaimlerChrysler bereits im Dezember 2005 in erster Instanz zu einem vorläufigen Schadenersatz von mindestens 250 Mio GBP verurteilt. Der Münchner Nutzfahrzeug- und Maschinenbaukonzern hatte dort wegen Bilanzbetrugs beim britischen Lkw-Hersteller ERF geklagt. MAN hatte ERF im Jahr 2000 von der kanadischen Western Star übernommen, die ihrerseits später von der Daimler-Nutzfahrzeugtochter Freightliner gekauft worden war. Zwar fiel die Bilanzfälschung in die Zeit vor dem DaimlerChrysler-Einstieg, dennoch fand der Londoner High Court, dass der Stuttgarter Konzern als Rechtsnachfolger dafür verantwortlich ist. DaimlerChrysler hat gegen das Londoner Urteil Revision eingelegt. Eine endgültige Entscheidung in dem Verfahren ist erst im Laufe des nächsten Jahres zu erwarten.
Nach der ERF-Übernahme hatte MAN entdeckt, dass die Bilanzen von ERF gefälscht waren und DaimlerChrysler als auf Schadensersatz verklagt. Der Stuttgarter Automobilhersteller hatte gegen Ende des Jahres 2000 unter dem damaligen Nutzfahrzeugvorstand und heutigen Vorstandsvorsitzenden Dieter Zetsche Western Star erworben und auf die kanadische Tochtergesellschaft Freightliner Ltd verschmolzen.
Im Laufe des Gerichtsverfahrens in London hatte MAN den Verdacht, dass das verklagte kanadischen Tochterunternehmen Freightliner Ltd den Schadenersatz nicht bezahlen kann und deshalb eine weitere Klage in den USA eingereicht. In der neuen Anklage warfen die Münchner DaimlerChrysler vor, Assets zur US-Muttergesellschaft Freightliner Llc verlagert und die kanadische Tochter in eine Hülle mit keinen verwertbaren Gegenständen verwandelt zu haben.
DaimlerChrysler hatte sich zuvor mit Blick auf das laufende Verfahren nicht geäußert. Im Geschäftsbericht für 2005 räumt das Unternehmen allerdings ein, dass der vorläufige Schadenersatz von 250 Mio GBP "bei weitem die Netto-Vermögenswerte von Freightliner Ltd" übersteigt. Noch im Jahr vor der Übernahme hatte Western Star über vier Lkw- bzw Bus-Werke verfügt, in denen insgesamt fast 7.200 Lkw und 800 Busse vom Band liefen und so für einen Umsatz von rund 820 Mio EUR sorgten.
Während die Produktion komplett in die Organisation der Muttergesellschaft Freightliner Llc integriert wurde, fungiert der Rechtsnachfolger von Western Star, die Freightliner Ltd mittlerweile nur noch als reine Vertriebsgesellschaft für den kanadischen Markt. Zu erreichen ist die Gesellschaft unter der Adresse der Anwaltskanzlei Osler im kanadischen Calgary. Diese Maßnahmen fielen in die Amtszeit von Rainer Schmückle, der von Mai 2001 bis April 2005 President und CEO von Freightliner war und zurzeit Chief Operating Officer der Mercedes Car Group (MCG) ist.
DaimlerChrysler hat früheren Aussagen zufolge bisher keine Rückstellungen für einen möglicherweise zu zahlenden Schadenersatz gebildet. Lediglich zu erwartenden Anwalts- und Prozesskosten seien verbucht worden. Auch bei MAN wurden mit Blick auf die Revision die Forderungen noch nicht berücksichtigt. Im Frühjahr 2006 hatten Verhandlungen von DaimlerChrysler und MAN um einen außergerichtlichen Vergleich zu keinem Ergebnis geführt. Die Vorstellungen lagen zu weit auseinander, wie Dow Jones Newswires damals exklusiv berichtet hatte.
Im vergangenen Jahr hatte die Truck Group des deutschen Konzerns bei einem Umsatz von 30,368 Mrd EUR einen operativen Gewinn von 1,6 Mrd EUR erzielt. Der Gewinn soll im laufenden Jahr deutlich übertroffen werden.
Webseite: http://www.daimlerchrysler.de
http://www.man.de
-Von Matthias Krust, Dow Jones Newswires, +49 (0)711 22874 12,
matthias.krust@dowjones.com
(Die Associated Press steuerte Teile zu dieser Meldung bei.)
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