ESSEN (Dow Jones)--Um den Aufbau lokaler Anleihemärkte in Schwellenländern zu fördern, wollen die Industrieländer konkrete Maßnahmen in einem Aktionsplan vereinbaren. Das ist das Ergebnis einer Debatte der Gruppe der sieben führenden Industrieländer (G-7) bei einem am Samstag zu Ende gegangenen Treffen in Essen. "Eine Entwicklung lokaler Anleihemärkte verdient höhere Priorität, um die Anfälligkeit der Schwellenländer für externe Schocks und Finanzkrisen zu verringern und Wachstum zu fördern", erklärten die G-7-Finanzminister und Notenbankgouverneure in der Abschlusserklärung des Treffens.
In Essen hatten die G-7-Finanzminister mit ihren Amtskollegen aus China, Russland und Mexiko sowie Vertretern aus Brasilien, Indien und Südafrika über die Förderung von Anleihemärkten in den Schwellenländern diskutiert. Eine zweite Diskussionsrunde zu dem Thema soll dann bei einem weiteren Finanzministertreffen am 18. und 19. Mai bei Potsdam erfolgen, an dem neben den G-7 auch Russland teilnimmt. Dort wollen die Industrieländer einen konkreten Aktionsplan vereinbaren.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sagte bei einer Pressekonferenz nach dem Treffen in Essen, bei den Diskussionen zu dem Thema, die bereits am Freitagabend im Rahmen eines Abendessens mit den Schwellenländern stattgefunden und sich über eineinhalb Stunden hingezogen hatten, habe "Übereinstimmung" bestanden, dass es sehr sinnvoll ist, solche lokalen Anleihemärkte stärker zu fördern". Das Thema sei in Essen sehr viel länger diskutiert worden, als er persönlich es für möglich gehalten habe.
Steinbrück unterstrich in Essen, je höher der Anteil der Fremdwährungsverschuldung sei, desto anfälliger hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten die betreffenden Länder für Währungs- und Finanzkrisen gezeigt. "Eine wichtige Ursache für die Finanzkrisen der Vergangenheit ist gewesen, dass sich viele Schwellenländer in Fremdwährungsanleihen verschuldet haben", erklärte er. Es wäre wichtig für sie, eigene Anleihemärkte zu haben, um ihre Abhängigkeiten zu verringern.
Dem Aktionsplan vorangehen soll ein Workshop der Deutschen Bundesbank zu Markterfahrungen mit dem Thema am 9. und 10. Mai in Frankfurt. Dieser werde dabei helfen, konkrete Empfehlungen zu identifizieren und den Reformschwung aufrecht zu erhalten, hoben die G-7 hervor.
Bundesbank-Präsident Axel Weber unterstrich in Essen, die Bondmärkte in diesen Ländern hätten noch eine geringe Liquidität, und die Märkte für Unternehmensanleihen seien in den Schwellenländern schwach. Der geplante Workshop solle sich damit beschäftigen, "ob es gelingen kann, zu einer Verbreiterung der Investorenbasis zu kommen", und welche Rolle derivative Märkte und deren Ausbau spielen könnten.
Im Rahmen des Workshops soll laut Bundesfinanzministerium (BMF) unter anderem diskutiert werden, welche Maßnahmen die einzelnen Länder in den vergangenen Jahren ergriffen haben, und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit insbesondere langfristig orientierte institutionelle Investoren aus dem Aus- und Inland einen wesentlichen Beitrag zur Verbreiterung der Märkte leisten könnten. Dabei sollen auch mögliche Maßnahmen zur Stärkung von Rechtsrahmen, Infrastruktur und Institutionen an den Anleihemärkten, eine eventuelle Verbesserung der Datenerfassung und -auswertung über makroökonomische und mikrostrukturelle Daten in diesem Zusammenhang sowie die Rolle erörtert werden, die die internationalen Finanzinstitutionen im Rahmen "technischer Hilfe" spielen können.
In einem Papier zu dem Thema unterstrich das BMF, durch die hohen Volatilitäten an den Finanzmärkten der Schwellenländer im vergangenen Jahr stelle sich die Frage, ob die Verwundbarkeit dieser Staaten gegenüber Schocks von den internationalen Finanzmärkten nach den Krisen in den 90er-Jahren überwunden sei. Nicht zuletzt auch der IWF habe in seinem letzten Global Stability Report wieder diese Frage gestellt. "Die weitere Entwicklung und Verbesserung inländischer Anleihemärkte in Schwellenländern kann einen wichtigen Beitrag leisten, die systemische Finanzmarktstabilität zu erhöhen, die Krisenanfälligkeit von Schwellenländern zu verringern und so zum stabilen Wachstum der Weltwirtschaft beitragen", unterstrich das BMF.
Die Erfahrung zeige, dass die Stabilität der Preise, der Wechselkurse und eine insgesamt stabilitätsorientierte Makropolitik die besten Voraussetzungen zur Vermeidung von Finanzkrisen böten. Darüber hinaus seien zusätzliche Maßnahmen notwendig, um die Verwundbarkeit der Schwellenländer gegenüber Finanzmarktschocks zu reduzieren. Dabei sei die Entwicklung und Förderung von Anleihemärkten ein wesentliches Element, um stabilitätsgefährdende Verzerrungen in der Währungs- und Finanzstruktur von Schwellenländern abzubauen. "Ausgebaute Anleihemärkte in heimischen Währungen bieten bessere Bedingungen für langfristige Anlagen und verringern die Währungsrisiken für die einzelnen Länder", hob das Ministerium hervor.
Die inländischen Anleihemärkte in den Schwellenländern sind laut BMF in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Ende 2005 erreichte das Volumen der inländischen Anleihen 43% des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Im Vergleich dazu erreichten die ausstehenden Anleihen in den Industrieländern demnach 140% des BIP. Zudem ist die Entwicklung inländischer Märkte in den verschiedenen Schwellenländern bisher sehr ungleichmäßig verlaufen. Laut IWF kommen die sechs größten Märkte für 71% der gesamten umlaufenden inländischen Bonds in den Schwellenländern auf. Diese sechs Länder sind einem IWF-Papier zu Folge Südkorea, China, Brasilien, Indien, Mexiko und die Türkei.
-Von Andreas Kißler, Dow Jones Newswires, +49 (0)30 - 2888 4118, andreas.kissler@dowjones.com
DJG/ank/hab -0-
In Essen hatten die G-7-Finanzminister mit ihren Amtskollegen aus China, Russland und Mexiko sowie Vertretern aus Brasilien, Indien und Südafrika über die Förderung von Anleihemärkten in den Schwellenländern diskutiert. Eine zweite Diskussionsrunde zu dem Thema soll dann bei einem weiteren Finanzministertreffen am 18. und 19. Mai bei Potsdam erfolgen, an dem neben den G-7 auch Russland teilnimmt. Dort wollen die Industrieländer einen konkreten Aktionsplan vereinbaren.
Bundesfinanzminister Peer Steinbrück sagte bei einer Pressekonferenz nach dem Treffen in Essen, bei den Diskussionen zu dem Thema, die bereits am Freitagabend im Rahmen eines Abendessens mit den Schwellenländern stattgefunden und sich über eineinhalb Stunden hingezogen hatten, habe "Übereinstimmung" bestanden, dass es sehr sinnvoll ist, solche lokalen Anleihemärkte stärker zu fördern". Das Thema sei in Essen sehr viel länger diskutiert worden, als er persönlich es für möglich gehalten habe.
Steinbrück unterstrich in Essen, je höher der Anteil der Fremdwährungsverschuldung sei, desto anfälliger hätten sich in den vergangenen Jahrzehnten die betreffenden Länder für Währungs- und Finanzkrisen gezeigt. "Eine wichtige Ursache für die Finanzkrisen der Vergangenheit ist gewesen, dass sich viele Schwellenländer in Fremdwährungsanleihen verschuldet haben", erklärte er. Es wäre wichtig für sie, eigene Anleihemärkte zu haben, um ihre Abhängigkeiten zu verringern.
Dem Aktionsplan vorangehen soll ein Workshop der Deutschen Bundesbank zu Markterfahrungen mit dem Thema am 9. und 10. Mai in Frankfurt. Dieser werde dabei helfen, konkrete Empfehlungen zu identifizieren und den Reformschwung aufrecht zu erhalten, hoben die G-7 hervor.
Bundesbank-Präsident Axel Weber unterstrich in Essen, die Bondmärkte in diesen Ländern hätten noch eine geringe Liquidität, und die Märkte für Unternehmensanleihen seien in den Schwellenländern schwach. Der geplante Workshop solle sich damit beschäftigen, "ob es gelingen kann, zu einer Verbreiterung der Investorenbasis zu kommen", und welche Rolle derivative Märkte und deren Ausbau spielen könnten.
Im Rahmen des Workshops soll laut Bundesfinanzministerium (BMF) unter anderem diskutiert werden, welche Maßnahmen die einzelnen Länder in den vergangenen Jahren ergriffen haben, und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit insbesondere langfristig orientierte institutionelle Investoren aus dem Aus- und Inland einen wesentlichen Beitrag zur Verbreiterung der Märkte leisten könnten. Dabei sollen auch mögliche Maßnahmen zur Stärkung von Rechtsrahmen, Infrastruktur und Institutionen an den Anleihemärkten, eine eventuelle Verbesserung der Datenerfassung und -auswertung über makroökonomische und mikrostrukturelle Daten in diesem Zusammenhang sowie die Rolle erörtert werden, die die internationalen Finanzinstitutionen im Rahmen "technischer Hilfe" spielen können.
In einem Papier zu dem Thema unterstrich das BMF, durch die hohen Volatilitäten an den Finanzmärkten der Schwellenländer im vergangenen Jahr stelle sich die Frage, ob die Verwundbarkeit dieser Staaten gegenüber Schocks von den internationalen Finanzmärkten nach den Krisen in den 90er-Jahren überwunden sei. Nicht zuletzt auch der IWF habe in seinem letzten Global Stability Report wieder diese Frage gestellt. "Die weitere Entwicklung und Verbesserung inländischer Anleihemärkte in Schwellenländern kann einen wichtigen Beitrag leisten, die systemische Finanzmarktstabilität zu erhöhen, die Krisenanfälligkeit von Schwellenländern zu verringern und so zum stabilen Wachstum der Weltwirtschaft beitragen", unterstrich das BMF.
Die Erfahrung zeige, dass die Stabilität der Preise, der Wechselkurse und eine insgesamt stabilitätsorientierte Makropolitik die besten Voraussetzungen zur Vermeidung von Finanzkrisen böten. Darüber hinaus seien zusätzliche Maßnahmen notwendig, um die Verwundbarkeit der Schwellenländer gegenüber Finanzmarktschocks zu reduzieren. Dabei sei die Entwicklung und Förderung von Anleihemärkten ein wesentliches Element, um stabilitätsgefährdende Verzerrungen in der Währungs- und Finanzstruktur von Schwellenländern abzubauen. "Ausgebaute Anleihemärkte in heimischen Währungen bieten bessere Bedingungen für langfristige Anlagen und verringern die Währungsrisiken für die einzelnen Länder", hob das Ministerium hervor.
Die inländischen Anleihemärkte in den Schwellenländern sind laut BMF in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Ende 2005 erreichte das Volumen der inländischen Anleihen 43% des Bruttoinlandsproduktes (BIP). Im Vergleich dazu erreichten die ausstehenden Anleihen in den Industrieländern demnach 140% des BIP. Zudem ist die Entwicklung inländischer Märkte in den verschiedenen Schwellenländern bisher sehr ungleichmäßig verlaufen. Laut IWF kommen die sechs größten Märkte für 71% der gesamten umlaufenden inländischen Bonds in den Schwellenländern auf. Diese sechs Länder sind einem IWF-Papier zu Folge Südkorea, China, Brasilien, Indien, Mexiko und die Türkei.
-Von Andreas Kißler, Dow Jones Newswires, +49 (0)30 - 2888 4118, andreas.kissler@dowjones.com
DJG/ank/hab -0-