MÜNCHEN (dpa-AFX) - Gewusst hat es die Siemens
Der Erfahrung nach berücksichtige die SEC bei der Strafzumessung, inwieweit das betroffene Unternehmen gewillt sei, auf strafrechtlich relevante Sachverhalte auch durch einen echten personellen Neuanfang zu reagieren, sagt Hans-Hermann Aldenhoff, Partner bei der renommierten Rechtsanwaltskanzlei Simmons & Simmons. "Tendenziell goutieren die amerikanischen Behörden ein Verhalten, das darauf schließen lässt, dass nicht nur Bauernopfer getätigt werden, sondern die Konzernspitze insgesamt ausgetauscht wird."
ALARMGLOCKEN
Schon nach der ersten Großrazzia im vergangenen Herbst hätten die Alarmglocken geklingelt, sagt ein intimer Siemens-Kenner. Denn der Konzern ist seit 2001 an der New York Stock Exchange notiert. Die Hoffnungen, die damit verbunden waren - zum Beispiel auf einen regeren Handel mit Siemens-Aktien in den USA - haben sich wie bei anderen deutschen Unternehmen mit US-Listing seither nur teilweise erfüllt. Dafür aber unterliegen die Unternehmen noch stärker dem Einfluss der US-Behörden, die bei Skandalen in den vergangenen Jahren teils drakonisch durchgegriffen haben.
Bei Verstößen gegen den FCPA (Foreign Corrupt Practices Act) drohen zum Beispiel erhebliche Geldbußen bis hin zum doppelten Volumen der durch Korruption erlangten Aufträge. Für einen Infrastruktur-Anbieter wie Siemens noch schlimmer: Es drohen auch der Ausschluss von öffentlichen Aufträgen und der Entzug von Exportgenehmigungen sowie Klagen von Wettbewerbern.
MÖGLICHE VERSTÖSSE GEGEN US-RECHT
Die Ermittlungen haben bereits begonnen: Das US-Justizministerium führt ein Verfahren gegen Siemens wegen möglicher Verstöße gegen US-Recht. Auch die SEC wandelte ihre bisherige informelle Untersuchung inzwischen in offizielle Ermittlungen um. Eine weitere Gefahr sind die in den USA beliebten Klagen von Kleinaktionären. Ein erster Inhaber eines Siemens-Anteilsscheins hat bereits bei einem Gericht im Bundesstaat New York Klage gegen Siemens sowie aktuelle und ehemalige Führungskräfte eingereicht. Zur Zeit ruht das Gerichtsverfahren. Siemens warnt aber jedenfalls: "Es kann gegenwärtig nicht ausgeschlossen werden, dass Siemens oder einzelne Mitarbeiter wegen Gesetzesverstößen straf- oder zivilrechtlich verfolgt werden."
Um die Affären aufzuklären und die US-Behörden milde zu stimmen, beschäftigt Siemens eine Armada von US-Experten. Allein im abgelaufenen Quartal wurden 63 Millionen Euro an externe Berater überwiesen, die bei der Aufklärung helfen. Auch dadurch soll den Behörden signalisiert werden, wie ernst es Siemens ist. Neben der angesehenen Kanzlei Debevoise & Plimpton ist zum Beispiel der Antikorruptionsexperte und Ex-Geheimagent Michael J. Hershman mit internen Untersuchungen beauftragt worden, der Transparency International mitgegründet hatte.
STARKES SIGNAL FÜR EINEN NEUANFANG
Ein weiteres starkes Signal für einen Neuanfang waren nun die Personalentscheidungen. Schon beim Rücktritt Pierers soll der Druck aus den USA eine Rolle gespielt haben, beim Rückzug Kleinfelds machte der Konzern nun keinen Hehl mehr daraus. Der neue Aufsichtsrats-Chef Gerhard Cromme formulierte zwar sperrig, aber eindeutig, warum Kleinfeld die Unterstützung im Aufsichtsrat verloren hat. Die Kanzlei Debevoise & Plimpton habe auf die "ernsten Bedenken der US-Behörden" hingewiesen, die aufmerksam verfolgten, "wie Vorstand und Aufsichtsrat mit den Vorwürfen gegen das Unternehmen umgehen". Daraufhin seien zahlreiche Mitglieder gegen eine Verlängerung von Kleinfelds Vertrag gewesen. Auch Rechtsanwalt Aldenhoff - ausgewiesener Spezialist für Wirtschaftsdelikte - erklärt, Kleinfeld sei wohl gewollt oder ungewollt als Ziehsohn Pierers wahrgenommen worden. Mit seinem Abschied aus dem Amt sei keineswegs eine Vorverurteilung verbunden, es sei aber ein politisches Signal in Richtung USA./ax/DP/mw
--- Von Axel Höpner, dpa ---
ISIN DE0007236101
AXC0012 2007-05-01/11:51