Nach vier Jahrzehnten ungebremster Schuldenpolitik steuert der Bund Kreisen zufolge auf eine Trendwende zu: Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) will deutlich weniger neue Kredite aufnehmen und die Neuverschuldung bis spätestens 2011 auf Null drücken und dann erstmals wieder Überschüsse erzielen. Statt der ursprünglich geplanten 83,5 Milliarden Euro neuer Schulden sind in den kommenden vier Jahren weitere Kredite von insgesamt 29,4 Milliarden geplant. Das geht aus dem am Sonntag bekannt gewordenen Entwurf für den Bundestat 2008 und die Finanzplanung bis 2011 hervor.
Einen ausgeglichenen Bundesetat ohne neue Kredite gab es zuletzt 1969. Die Pläne sollen an diesem Mittwoch vom Kabinett beschlossen werden. "Damit wird (...) ein Meilenstein erreicht: Die Neuverschuldung des Bundes wird nicht nur verringert, sie wird beendet", heißt es in dem Entwurf. Mit einem Teil des Überschusses soll der Schuldenberg des Bundes von rund 900 Milliarden Euro dann von 2011 an abgebaut werden. Möglich wird dies durch weitere Steuermehreinnahmen, die aus Sicht Steinbrücks mit fast 92 Milliarden Euro noch üppiger ausfallen könnten als zuletzt erwartet.
SCHNELLERER SCHULDENABBAU NICHT MACHBAR
Ein von Haushaltspolitikern und Ökonomen geforderter schnellerer Schuldenabbau sei aber nicht machbar auf Grund zusätzlicher Milliarden-Belastungen durch Koalitionsbeschlüsse sowie neuer Ausgaben, hieß es in Regierungskreisen. "Daher ist es nicht möglich, größere Schritte zu machen oder schneller bei Null zu landen." Einen ausgeglichenen Bundesetat schon im Wahljahr 2009 hatte Steinbrück zuletzt aber als nicht "so schlecht für die Republik" bezeichnet.
Von den Steuermehreinnahmen sollen mehr als 54 Milliarden Euro in den Abbau der Neuverschuldung fließen. Diese soll im nächsten Jahr auf 12,9 Milliarden Euro sinken und bis 2010 auf sechs Milliarden. Dank der dramatischen Einnahmeverbesserung könne auch der jährlich steigende Zuschuss zur Gesetzlichen Krankenversicherung aufgefangen werden, der sich bis 2011 auf 19 Milliarden Euro summiert.
ZUSÄTZLICHE AUSGABENWÜNSCHE AUF 9,7 MILLIARDEN EURO BEGRENZT
Abgeschafft werden soll der umstrittene Aussteuerungsbetrag, den die Bundesagentur für Arbeit (BA) als "Strafsteuer" für nicht vermittelte Langzeitarbeitslose zahlen muss. Er soll von 2008 an aber ersetzt werden durch eine neue Leistung der BA an den Bundeshaushalt, einen so genannten Eingliederungsbeitrag. Dem Bund geht es um eine "faire Lastenverteilung". Die BA soll von 2008 an verpflichtet werden, sich sowohl an den Kosten für Leistungen zur Eingliederung in Arbeit zu beteiligen als auch an den Verwaltungskosten. In Regierungskreisen hofft man, dass das Instrument mit jährlich unterstellten Einnahmen von fünf Milliarden Euro effizienter ist.
Die zusätzlichen Ausgabenwünsche der einzelnen Ressorts von zunächst knapp 30 Milliarden Euro hat Steinbrück bis 2011 auf 9,7 Milliarden begrenzt. Sie fließen vor allem in mehr Entwicklungshilfe, in innere und äußere Sicherheit sowie in Forschung und Bildung. Auch dadurch steigen die Gesamtausgaben im kommenden Jahr auf 283,2 Milliarden Euro. Im Vergleich zu 2007 ist dies ein Sprung um 12,7 Milliarden, was überwiegend auf Einmaleffekte zurückzuführen ist. So werden wieder Zahlungen an die Postbeamtenversorgungskasse fällig.
Bei den Privatisierungen - der Bund hält unter anderem noch Telekom-Aktien - tritt Steinbrück im Vergleich zu früheren Planungen auf die Bremse. "Die positive Entwicklung der Steuereinnahmen ermöglicht es auch, bisher zur Finanzierung des Bundeshaushalts geplante Einnahmen aus der Verwertung von Kapitalvermögen des Bundes kapitalmarktgerecht zu schonen", heißt es in dem Entwurf./sl/DP/he
AXC0055 2007-07-01/20:30