
DJ Deutsche Wirtschaft hat Notfallplan für Bahnstreik
FRANKFURT (AP)--Schon vor dem Urteil über Lokführerstreiks im Güter- und Fernverkehr liefen die Vorbereitungen der Wirtschaft auf Hochtouren: Mit Krisenstäben und logistischen Notfallplänen versuchen Unternehmen seit Wochen, die Folgekosten der drohenden Streiks zu minimieren. Die möglichen Schadenssummen sind gewaltig: Bis zu 50 Mio EUR pro Tag kostet nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ein Güterverkehrsstreik die Volkswirtschaft.
"Dann liegen ganze Wirtschaftszweige lahm", warnt die DIW-Wirtschaftsexpertin Claudia Kemfert. Bei der heute üblichen "Just in Time"-Produktion sei ein Ausgleich von Streiks im Güterverkehr in vielen Branchen gar nicht möglich. Besonders der Fahrzeugbau, die Stahlindustrie und die Versorgung mit fossilen Brennstoffen wären demnach betroffen.
Dramatische Auswirkungen befürchtet vor allem die deutsche Stahlindustrie. "Ein längerer Streik im Güterverkehr wäre von den Stahlunternehmen nicht aufzufangen", sagt der Vorsitzende der Verkehrsausschüsse bei der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans-Joachim Welsch. Etwa die Hälfte der jährlich transportierten 80 Mio Tonnen Rohstoffe und Fertigprodukte wird demnach mit der Bahn befördert, rund 90% davon durch deren Frachttochter Railion. Die Bahn sei deshalb ein unverzichtbares Kernstück der Stahllogistik, warnte Welsch.
Auch der Autobauer Opel kann auf den Güterverkehr nur schwer verzichten: Allein in dem Opelwerk im thüringischen Eisenach erfolge mehr als die Hälfte aller Transporte über die Schiene, erklärt ein Sprecher. So kämen etwa für das Modell Corsa viele Blechteile aus dem Mutterwerk im spanischen Saragossa mit der Bahn. Fällt sie aus, schaltet der Konzern auf Notprogramm und will auf Lastwagen umladen. Die Folge seien jedoch deutlich höhere Kosten und eine höhere Verkehrsbelastung.
Der Zentralverband der Deutschen Seehäfen befürchtet ebenfalls gravierende Auswirkungen. "Fast jede dritte Tonne, die wir in den Seehäfen umschlagen, wird auf Schienen transportiert", sagt dessen Hauptgeschäftsführer Klaus Heitmann. Bei längeren Strecken seien es sogar fast 70%. "Bei einem Streik käme der Umschlag teilweise zum Erliegen - mit immensen Folgen für die deutsche Volkswirtschaft", betont er. Auch die Versorgung von Nachbarländern wie Polen wäre demnach gefährdet.
Selbst die Chemiebranche wäre betroffen: Der Münchner Chemiekonzern Wacker transportiert etwa ein Drittel seiner Rohstoffe und Fertigprodukte mit der Bahn. Bei einem Streik im Güterverkehr müsse das Unternehmen die Transporte kurzfristig auf die Straße verlegen, erklärt ein Sprecher. Der Bahn deshalb aber den Rücken zu kehren, sei keine realistische Option.
Die Deutsche Bahn erklärte, allein wegen der Androhung von Streiks im Güterverkehr gebe es bereits jetzt Umsatzausfälle in zweistelliger Millionenhöhe. "Bereits zugesagte Transportaufträge wurden wieder abgemeldet, weil sie unseren Kunden zu unsicher waren", sagt eine Sprecherin. Im Falle eines Streiks würden jedoch alle 5.000 Kunden der Tochter Railion regelmäßig per E-Mail über Ausfälle und Verzögerungen informiert, um die Folgen für ihre Produktion abzuschätzen.
Zugleich will die Bahn auf Loks und Lokführer aus Tochterunternehmen und von Kooperationspartnern aus dem In- und Ausland zurückgreifen. Allerdings stünden von den rund 5.400 Lokführern bei Railion auch im Streikfall mehr als 3.400 zur Verfügung, die verbeamtet oder in anderen Gewerkschaften organisiert seien. "Es kann zu Verspätungen und Zugausfällen kommen - einen Stillstand wird es jedoch nicht geben", betont die Sprecherin.
DJG/apo
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November 02, 2007 09:07 ET (13:07 GMT)
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