Leipzig (ots) - Von Kay Stolle. Ignoranz - Wieder einmal beginnt ein Prozess gegen Eltern, die ihr Kind vernachlässigt, misshandelt, getötet haben. Wieder einmal lesen die Menschen angewidert die abscheulichen Einzelheiten über die Qualen des Kindes. Wieder einmal fragen die Medien, wie dies passieren konnte. Wieder einmal ist von einer Mitschuld der Behörden die Rede. Heute heißt das Kind Lea-Sophie. Gestern hieß es Jessica oder Kevin. Morgen wird es vielleicht Josephine oder Hendrik heißen. Das Grauen eines neuen Falles ersetzt die Betroffenheit über den vergangenen. Und wenn die Kommentatoren in den Medien wieder das Versagen der Ämter anprangern, dann haben die Menschen längst vergessen, dass Staat, Länder und Kommunen schon nach dem vorangegangenen Fall bessere Kontrollen und neue Initiativen versprochen hatten. Wer erinnert sich schon noch daran, dass der kleine Kevin aus Bremen im Jahr 2006 an grausamen Misshandlungen starb, obwohl das Jugendamt per Gerichtsbeschluss die Vormundschaft für das zweijährige Kind übernommen hatte. Die Beamten hatten Kevin seinem drogensüchtigen Ziehvater überlassen. Oder wer erinnert sich an die siebenjährige Jessica, die 2006 in Hamburg verhungerte. Die Schulbehörde nahm es einfach hin, dass sie nicht eingeschult wurde, statt es dem Jugendamt zu melden. Und doch: Vielleicht wird es diesmal anders sein, vielleicht werden sich vor allem Politiker noch lange an Lea-Sophie erinnern. Nicht nur, weil die große Koalition nach ihrem Tod endlich verbindliche Vorsorgeuntersuchungen für Kinder beschlossen hat. Sondern auch, weil der Fall - möglicherweise - dem Oberhaupt einer Landeshauptstadt das Amt kostet: In knapp zwei Wochen entscheiden die Bürger Schwerins, ob Norbert Claussen Oberbürgermeister bleibt. Natürlich trägt er keine persönliche Verantwortung am Tod des Mädchens, auch die Schlamperei in der Behörde hätte er wohl politisch überlebt. Doch schon kurz nach Bekanntwerden des Falles zu verkünden, das Jugendamt habe vorschriftsmäßig, ordnungsgemäß und sachgerecht gehandelt und Schwerin einfach nur Pech gehabt - dies zeugt von Ignoranz und bürokratischer Mitleidlosigkeit. Denn die Behörden haben im Fall Lea-Sophie versagt. Vier Mal - das erste Mal schon ein Jahr vor dem Tod des Kindes - hatte beispielsweise Lea-Sophies Großvater das Jugendamt aufgefordert, sich um seine Enkelin zu kümmern. Die Beamten schickten danach an die Familie Einladungen zum Gespräch, störten sich aber nicht daran, dass die Schreiben unbeantwortet blieben. Eine solche Schlamperei lässt sich nicht nur mit Stellenkürzungen oder Überforderung angesichts zunehmender sozialer Problemfälle begründen. Der gestern begonnene Prozess und der Bürgerentscheid werden nun in den kommenden Wochen zeigen: Ein Mord an einem Kind muss eine strenge Strafe nach sich ziehen, aber auch Ignoranz und Inkompetenz in Politik, Behörden und Gesellschaft dürfen nicht einfach hingenommen werden.
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